Führerhauptquartier, den 5.4.1942

 

Der Führer und Oberste Befehlshaber

der Wehrmacht

OKW/WFSt Nr. 5 5616/42 g. K. Chefs.

 

Geheime Kommandosache

Chefsache

Nur durch Offizier

 

14 Ausfertigungen

3. Ausfertigung

 

Weisung Nr. 41 für die Kriegführung

Die Winterschlacht in Rußland geht ihrem Ende zu. Durch die überragende Tapferkeit und den opferfreudigen Einsatz der Soldaten der Ostfront ist ein Abwehrerfolg von größtem Ausmaß für die deutschen Waffen errungen.

Der Feind hat schwerste Verluste an Menschen und Material erlitten. In dem Bestreben, scheinbare Anfangserfolge auszunutzen, hat er auch die Masse seiner für spätere Operationen bestimmten Reserven in diesem Winter weitgehend verbraucht.

Sobald Wetter- und Geländeverhältnisse die Voraussetzungen dazu bieten, muß nunmehr die Überlegenheit der deutschen Führung und Truppe das Gesetz des Handelns wieder an sich reißen, um dem Feinde ihren Willen aufzuzwingen.

Das Ziel ist, die den Sowjets noch verbliebene lebendige Wehrkraft endgültig zu vernichten und ihnen die wichtigsten kriegswirtschaftlichen Kraftquellen so weit als möglich zu entziehen.

Hierzu werden alle verfügbaren Kräfte der deutschen Wehrmacht und die der Verbündeten herangezogen. Dabei muß aber gewährleistet sein, daß die besetzten Gebiete im Westen und Norden Europas, insbesondere die Küsten, unter allen Umständen gesichert bleiben.

I. Allgemeine Absicht;

Unter Festhalten an den ursprünglichen Grundzügen des Ostfeldzuges kommt es darauf an, bei Verhalten der Heeresmitte, im Norden Leningrad zu Fall zu bringen und die Land-Verbindung mit den Finnen herzustellen, auf dem Südflügel der Heeresfront aber den Durchbruch in den Kaukasus-Raum zu erzwingen.

Dieses Ziel ist in Anbetracht der Abschlußlage nach der Winterschlacht, der verfügbaren Kräfte und Mittel und der Transportverhältnisse nur abschnittsweise zu erreichen.

Daher sind zunächst alle greifbaren Kräfte zu der Hauptopera-tion im Süd-Abschnitt zu. vereinigen mit dem Ziel, den Feind vor wärts des Don zu vernichten, um sodann die Ölgebiete im kaukasischen Raum und den Übergang über den Kaukasus selbst zu gewinnen.

Die endgültige Abschnürung von Leningrad und die Weg-nähme des Ingermanlandes bleibt vorbehalten, sobald die Entwicklung der Lage im Einschließungsraum oder das Freiwerden sonstiger ausreichender Kräfte es ermöglichen.

II. Die Führung der Operationen:

A.) Erste Aufgabe des Heeres und der Luftwaffe nach Abschluß der Schlammzeit ist es, die Vorbedingungen für die Durchführung der Hauptoperation zu schaffen.

Das erfordert die Bereinigung und Festigung der Lage an der gesamten Ostfront und in den rückwärtigen Heeresgebieten mit dem Ziel, dadurch möglichst viele Kräfte für die Hauptoperation zu gewinnen, an den übrigen Fronten aber mit geringstem Einsatz dennoch jedem Angriff gewachsen zu sein.

Wo zu diesem Zweck Angriffsoperationen mit begrenztem Ziel nach meinen Anordnungen geführt werden müssen, ist aber auch hierzu jeweils ein überwältigender Einsatz sämtlicher verfügbaren Angriffsmittel des Heeres und der Luftwaffe sicherzustellen, um schnelle und durchschlagende Erfolge zu erreichen. Nur dadurch wird vor allem auch schon vor dem Beginn der großen Frühjahrsoperationen in der eigenen Truppe die unbedingte Siegeszuversicht wieder gestärkt, dem Feind aber seine hoffnungslose Unterlegenheit eingehämmert werden.

B.) Die nächsten Aufgaben in diesem Rahmen sind es, auf der Krim die Halbinsel Kertsch zu säubern und Sewastopol zu Fall zu bringen. Die Luftwaffe und demnächst auch die Kriegsmarine haben den Auftrag, zur Vorbereitung dieser Unternehmungen den feindlichen Nachschubverkehr im Schwarzen Meer und in der Straße von Kertsch nachdrücklichst zu unterbinden.

Im Südraum ist der beiderseits Isjum eingebrochene Feind im Zuge des Donez abzuschneiden und zu vernichten.

Die in der Mitte und im Nordabschnitt der Ostfront noch erforderlichen Frontbereinigungen können erst nach Abschluß der laufenden Kampfhandlungen und der Schlammperiode endgültig übersehen und entschieden werden. Hierzu müssen aber die notwendigen Kräfte - sobald die Lage dies zuläßt - durch Strecken der Front geschaffen werden.

C.) Die Hauptoperation an der Ostfront.

Ihr Ziel ist es - wie schon betont - zur Einnahme der Kaukasusfront die russischen Kräfte, die sich im Räume von Woronesh nach Süden, westlich bezw. nördlich des Dons befinden, entscheidend zu schlagen und zu vernichten. Aus Gründen des Eintreffens der hierzu verfügbaren Verbände kann diese Operation nur in einer Reihe von nacheinander folgenden, aber untereinander im Zusammenhang stehenden bezw. sich ergänzenden Angriffen durchgeführt werden. Sie sind daher von Norden nach Süden zeitlich so aufeinander abzustimmen, daß außerdem in jedem einzelnen dieser Angriffe ein Höchstmaß der Konzentration sowohl von Heeres- als auch besonders von Luftstreitkräften an den entscheidenden Stellen sichergestellt werden kann.

Bei der nunmehr zur Genüge erwiesenen Unempfindlichkeit des Russen gegenüber operativen Einschließungen ist entscheidender Wert - ähnlich wie in der Doppelschlacht von Wjasma-Brjansk - darauf zu legen, die einzelnen Durchbrüche in die Gestalt enger Umklammerungen zu bringen.

Es muß vermieden werden, daß durch zu spätes Einschwenken der Umklammerungsverbände dem Gegner die Möglichkeit offenbleibt, sich der Vernichtung zu entziehen.

Es darf nicht vorkommen, daß durch ein zu schnelles und weites Ausgreifen der Panzer-bezw. mot.-Verbände die Verbindung zu der nachfolgenden Infanterie abreißt, oder die Panzer- und mot.-Verbände selbst die Möglichkeit verlieren, den schwer vorwärts kämpfenden infanteristischen Kräften des Heeres durch ihr unmittelbares Einwirken in den Rücken der umklammerten russischen Armeen zu Hilfe zu kommen.

Es ist also, abgesehen von dem großen operativen Ziel, in jedem einzelnen Fall die Vernichtung des angegriffenen Gegners schon durch die Art des Ansatzes und der Führung der eigenen Verbände unter allen Umständen sicherzustellen.

Die Einleitung der Gesamtoperation hat mit einem umfas- senden Angriff bezw. Durchbruch aus dem Raum südlich Orel in Richtung auf Woronesh zu beginnen. Von den beiden zur Umklammerung angesetzten Panzer- und Mot-Verbänden hat der nördliche stärker zu sein als der südliche. Das Ziel dieses Durchbruchs ist die Besetzung von Woronesh selbst. Während es nun die Aufgabe eines Teiles der Infanterie-Divisionen ist, zwischen dem Ausgangspunkt des Angriffs von Orel in Richtung auf Woronesh sofort eine starke Verteidigungsfront aufzubauen, haben die Panzer- und mot-Verbände den Auftrag, von Woronesh aus mit ihrer linken Flanke, angelehnt an den Don, nach Süden den Angriff fortzusetzen zur Unterstützung eines zweiten Durchbruchs, der etwa aus dem allgemeinen Raum von Charkow nach Osten hin geführt werden soll. Auch hier ist es primär das Ziel, nicht die russische Front als solche einzudrücken, sondern im Zusammenwirken mit den den Don abwärts vorstoßenden mot-Verbänden die russischen Kräfte zu vernichten.

Der dritte Angriff dieser Operationen ist so zu führen, daß die den Don abwärts stoßenden Verbände sich im Raum um Stalingrad mit jenen Kräften vereinigen, die aus dem Raum Taganrog-Artelnowsk zwischen dem Unterlauf des Don und Woroschilowgrad über den Donez nach Osten vorstoßen. Diese sollen abschließend die Verbindung mit der gegen Stalingrad vorrückenden Panzer-Armee finden.

Sollten sich im Zuge dieser Operationen, besonders durch die Inbesitznahme unversehrter Brücken die Aussichten bieten, Brückenköpfe ostwärts bezw. südlich des Dons zu bilden, so sind solche Möglichkeiten wahrzunehmen. Auf jeden Fall muß versucht werden, Stalingrad selbst zu erreichen oder es zumindest so unter die Wirkung unserer schweren Waffen zu bringen, daß es als weiteres Rüstungs- und Verkehrszentrum ausfällt.

Besonders erwünscht wäre es, wenn es gelänge, entweder unversehrte Brücken sei es in Rostow selbst, oder sonst gesicherte Brückenköpfe südlich des Dons zu gewinnen für die weitere Fortführung der für später beabsichtigten Operationen.

Um zu verhindern, daß wesentliche Teile der nördlich des Dons befindlichen russischen Kräfte über den Strom nach Süden entweichen, ist es wichtig, daß die aus dem Raum von Taganrog nach dem Osten vorgehende Kräftegruppe eine Verstärkung ihres rechten Flügels durch die Zuführung von Panzer- und schnellen Truppen erhält, die - wenn notwendig -auch durch improvisierte Verbände zu bilden sind.

Entsprechend dem Fortschreiten dieser Angriffe muß nicht nur auf starke Sicherung der Nordostflanke der Angriffsoperation Bedacht genommen, sondern auch der Ausbau der Stellungen in Anlehnung an den Don sofort begonnen werden. Dabei ist auf stärkste Panzerabwehr entscheidender Wert zu legen. Die Stellungen sind von vornherein auch im Hinblick auf ihre etwaige Ausnutzung im Winter festzulegen und dafür mit allen Mitteln vorzubereiten.

Zur Besetzung der sich im Laufe dieser Operation mehr und mehr verlängernden Donfront werden in erster Linie die Verbände der Verbündeten mit der Maßgabe herangezogen, daß deutsche Truppen als starke Stütze zwischen Orel und dem Don sowie an der Stalingrader Landenge einzusetzen sind, im übrigen aber einzelne deutsche Divisionen hinter der Donfront als Eingreifreserven verfügbar bleiben.

Die Verbündeten Truppen sind weitgehend in eigenen Abschnitten so zu verwenden, daß am weitesten nördlich die Ungarn, demnächst die Italiener, am weitesten südostwärts die Rumänen eingesetzt werden.

D.) Die schnelle Fortsetzung der Bewegungen über den Don nach Süden zur Erreichung der Operationsziele muß im Hinblick auf die jahreszeitlichen Bedingungen gewährleistet sein.

III. Luftwaffe:

Neben der unmittelbaren Unterstützung des Heeres ist es die Aufgabe der Luftwaffe, den Aufmarsch im Raum der Heeresgruppe Süd durch Verdichtung der Luftverteidigung zu schützen. Dies gilt insbesondere für die Eisenbahnübergänge über den Dnjepr.

Werden Aufmarschbewegungen des Feindes erkannt, so sind seine Hauptverkehrswege und die in den Kampfraum hineinführenden Eisenbahnen weit im Hintergelände nachhaltig zu unterbrechen und hierzu in erster Linie Zerstörungsangriffe gegen die Eisenbahnbrücken über den Don zu richten.

Als Einleitung der Operation ist die feindliche Luftwaffe und ihre Bodenorganisation im Angriffsraum mit zusammengefaßten Kräften anzugreifen und zu zerschlagen.

Die Möglichkeit einer raschen Verschiebung von Fliegerverbänderi in die Kampfräume Mitte und Nord muß gewahrt, die dazu nötige Bodenorganisation so weit als möglich aufrechterhalten bleiben.

IV.) Kriegsmarine:

Im Schwarten Meer ist es die Hauptaufgabe der Kriegsmarine- soweit die eigenen Mittel an Kampf- und Sicherungsstreitkräften sowie an Schiffsraum es irgend gestatten - die Versorgung des Heeres und der Luftwaffe durch Seetransporte zu entlasten.

Im Hinblick auf die noch ungebrochene Kampfkraft der russischen Schwarz-Meer-Flotte ist es von besonderer Bedeutung, daß die ins Schwarze Meer zu überführenden leichten Seestreitkräfte dort möglichst frühzeitig einsatzbereit werden.

Die Ostsee ist durch Abriegelung der russischen Seestreitkräfte im inneren Finnenbusen zu sichern.

V.) Meine zur Wahrung der Geheimhaltung erlassenen grundsätzlichen Befehle sind erneut allen an den Vorbereitungen beteiligten Stellen zur Pflicht zu machen. Das hierin zu beobachtende Verhalten gegenüber den Verbündeten wird durch bei sondere Anordnungen zu dieser Weisung geregelt.

VI.) Die beabsichtigten Vorbereitungen der Wehrmachtteile sind mir, auch in ihrem zeitlichen Ablauf, über das Oberkommando der Wehrmacht zu melden.

(gez.) Adolf Hitler

 

Verteiler:

OKH / Op. Abt.                     1. Ausf.

Ob. d. L. / Lw. Fü. Stab          2. Ausf.

Ob. d. M. / Ski.                       3. Ausf.

OKW

WFSt.                              4.-10. Ausf.

WNV                                    11. Ausf.

WPr                                      12. Ausf.

ChefAusl/Abw.                      13. Ausf.

Wehrmacht-Transportchef      14. Ausf.