Führerhauptquartier, den 8.12.1941

 

Der Führer und Oberste Befehlshaber

der Wehrmacht

OKW/WFSt/Abt. L (I Op)

Nr. 442090/41 g. K. Chefs.

 

Geheime Kommandosache

Chefsache!

Nur durch Offizier!

 

14 Ausfertigungen

3. Ausfertigung

 

Weisung Nr. 39 für die Kriegführung

 

Der überraschend früh eingebrochene strenge Winter im Osten und die dadurch eingetretenen Versorgungsschwierigkeiten zwingen zu sofortiger Einstellung aller größeren Angriffsoperationen und zum Übergang zur Verteidigung.

Wie diese Verteidigung zu führen ist, wird bestimmt durch das Ziel, das mit ihr verfolgt wird, nämlich:

a) Räume zu behaupten, die operativ oder wehrwirtschaftlich für den Gegner von großer Bedeutung sind,

b) den im Osten eingesetzten Kräften der Wehrmacht eine möglichst große Erholung und Auffrischung zu ermöglichen und

c) dadurch die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme größerer Angriffsoperationen im Jahre 1942 zu schaffen.

Im Einzelnen befehle ich:

I.) Heer:

1.) Die Masse des Ostheeres geht sobald wie möglich in kräftesparenden, vom Oberbefehlshaber des Heeres festzulegenden Fronten zur Abwehr über und beginnt dann unter Herausziehung vor allem der Panzer- und mot. Divisionen mit der Auffrischung der Verbände.

2.) Wo die Front, ohne vom Gegner gezwungen zu sein, zurückverlegt wird, muß zuerst eine rückwärtige Stellung vorbereitet sein, die der Truppe bessere Lebensbedingungen und Verteidigungsverhältnisse bietet als in der bisherigen Stellung.

Die Freigabe wichtiger Querverbindungen für den Feind kann zu einer Gefährdung anderer noch nicht gefestigter Frontabschnitte führen. In solchen Fällen muß der Zeitpunkt der Zurücknahme einzelner Abschnitte der Gesamtlage angepaßt werden.

3.) Der Verlauf der Front muß der Truppe Unterbringung und Abwehr erleichtern und möglichst einfache Versorgungsverhältnisse, besonders auch während der Zeit der Schneeschmelze schaffen.

Sehnen- und rückwärtige Stellungen sind festzulegen und unter Zuhilfenahme aller aufzutreibenden Arbeitskräfte so rasch als möglich feldmäßig auszubauen.

4.) Im Rahmen der im Großen defensiven Kampfführung müssen folgende Sonder aufgaben gelöst werden:

a) Sewastopol ist sobald wie möglich zu nehmen; über die Masse der 11. Armee (mit Ausnahme der für Küstenschutz benötigten Teile) wird nach Abschluß der dortigen Kämpfe entschieden werden.

b) H. Gr. Süd muß trotz aller Schwierigkeiten bestrebt sein, die Voraussetzungen zu schaffen, daß sie bei günstiger Witterung noch während des Winters einen Angriff zur Gewinnung der unteren Don - Donezünie führen kann. Dadurch werden günstige Voraussetzungen für die Frühjahrsoperation gegen den Kaukasus geschaffen werden.

c) H. Gr. NordVerkürzt seine Ost- und Südostfront nördlich des Ilmensees, ohne dabei Straße und Bahn von Tichwin nach Wolchowstroj und Koltschanawo für den Gegner freizugeben, und schafft dadurch die Voraussetzung, um nach dem Eintreffen von Verstärkungen die Lage südlich des Ladogasees zu bereinigen. Nur dadurch wird die Abschließung von Leningrad endgültig gesichert und die Verbin­dung mit der finnisch-karelischen Armee herzustellen sein, d) Sollte sich ergeben, daß der Gegner aus dem Küstenstreifen südlich der Kronstadt-Bucht die Masse seiner Kräfte abgezogen hat und dort nicht mehr ernsthaft verteidigen will, wird zur Einsparung von Kräften die dortige Küste in Besitz zu nehmen sein.

II.) Luftwaffe:

1.) Aufgabe der Luftwaffe ist es, die Wiederauffrischung der russischen Wehrmacht durch Bekämpfung der Rüstungs- und Ausbildungszentren, vor allem Leningrad, Moskau, Rybinsk, Gorki, Woronesh, Rostow, Stalingrad, Krasnodar usw. nach Kräften zu stören. Besondere Bedeutung kommt der laufenden Unterbrechung der feindlichen Verbindungslinien zu, von denen der Gegner lebt und durch deren Ausnutzung eigene Frontabschnitte bedroht werden. Neben der Bekämpfung der feindlichen Luftwaffe ist das Heer in der Abwehr feindlicher Angriffe auf der Erde und aus der Luft mit allen Mitteln zu unterstützen.

2.) Mit der mir vorgelegten, an die Grenzen der Heeresgruppen angelegten Gliederung und der vorgesehenen Stärke der im Osten verbleibenden Kräfte der Fliegertruppe bin ich einverstanden. Mit Abschluß der Operationen des Heeres können einzelne Verbände, soweit es die Lage jeweils erlaubt, zur Auffrischung und Ausbildung zurückgezogen werden.

3.) Zur wirkungsvollen Abwehr etwaiger Winterangriffe und unter Berücksichtigung der eigenen vorgesehenen Winter Opera­tionen (siehe L, 4.) ist eine Bodenorganisation zu erhalten, die eine rasche Kräfteverschiebung und Verstärkung aus zurückgezogenen Einheiten erlaubt. Hierfür sind die Auffrischungs­räume möglichst nahe der Ostfront einzurichten.

4.) Laufende, deckende und weitreichende Luftaufklärung ist besonders wichtig, um feindliche Umgruppierungen frühzeitig erkennen und überwachen zu können. Heer und Luft­waffe müssen sich hierbei kräfte - und aufgabenmäßig ergänzen.

5.) Die Genehmigung zum Herausziehen der noch für den Einsatz im Bereich des Obfh. Süd vorgesehenen Kräfte aus der Front vor Moskau behalte ich mir weiter vor.

6.) Die Luftverteidigung hat die eigene Truppe in ihren Unterbringungs- und Versorgungsräumen, sowie die wichtigen rückwärtigen Verbindungen zu schützen. Um erkannten Schwerpunktsbildungen der feindlichen Luftangriffswaffe begegnen zu können, ist schnelle Zusammenfassung der eigenen Jagdkräfte zu Jagdschwerpunkten vorzusehen.

III.) Die Kriegsmarine stellt sicher, daß der nach Besitznahme von Hangö und Osmussaar weniger gefährdete Seeweg nach Helsinki in großem Umfang für den Wirtschaftsverkehr und zur Versorgung unserer Truppen in Finnland ausgenutzt werden kann.

Die Zahl der für Nachschubzwecke (insbesondere über das Schwarze Meer und in der Ägäis) zu bauenden kleinen Schiffe im eigenen Land, in den verbündeten und besetzten Staaten muß, unter Verzicht auf alle nicht unbedingt erforderlichen Ansprüche und Sicherheitsbestimmungen, noch erheblich gesteigert werden.

IV.) Der personelle Ersatz der Wehrmacht muß für das Jahr 1942 auch dann gesichert sein, wenn hohe Verluste eintreten sollten. Da der Jahrgang 1922 allein nicht ausreichen wird, sind durchgreifende Maßnahmen geboten.

Ich ordne an:

1.) Alle innerhalb der Wehrmacht aus der Heimat oder Sonderverwendung (z. B. Wehrmachtmission Rumänien) frei­zumachenden Kräfte sind in einem großzügigen Abbau der kämpfenden Front nutzbar zu machen.

Soldaten jüngerer Jahrgänge, die sich im Heimatkriegsgebiet oder rückwärtigen Diensten befinden, sind dabei gegen ältere Frontsoldaten auszutauschen.

2.) Für den Austausch zwischen Ost- und West-Kriegsschauplatz gilt folgendes:

Im Westen befindliche voll verwendungsfähige Divisionen 2. und 3. Welle und Panzer-Divisionen sind gegen besonders abgekämpfte Ostdivisionen auszutauschen. Dabei kann eine nur vorübergehende Schwächung während des Winters in Frankreich in Kauf genommen werden.

Kampferfahrene Führer, Unterführer und Soldaten aus aufzulösenden Ostdivisionen können in diese Westdivisionen eingegliedert werden.

Ob darüber hinaus noch Westdivisionen, die geschlossen im Osten nicht verwendet werden können, aufzulösen und zur Ergänzung bewährter Ostdivisionen zu verwenden sind, werde ich entscheiden, wenn mir der gesamte Plan des Heeres für die Reorganisation und die Verteilung des Heeres vorliegt.

Auf jeden Fall muß die Kampfkraft des Westheeres soweit erhalten bleiben, daß die Abwehr an den Küsten sowie die Durchführung des Unternehmens »Attila« gesichert sind.

3.) Junge ukgestellte Arbeiter sind in größtem Umfange durch Gefangene und russische Zivilarbeiter, die in Gruppen eingesetzt werden, allmählich freizumachen. Besondere Anordnungen hierüber ergehen durch das Oberkommando der Wehrmacht.

(gez.) Adolf Hitler

 

Verteiler:

Ob. d. H. - Op. Abt.        1. Ausf.

Ob. d. L. - LwFüSt.         2.    "

Ob. d.M.-Ski.                  3.    "

Wehrmachttransportchef   4.    "

W. F. St.                    5.-12.    "

W.N.V.                          13.    "

Ausland/Abwehr             14.    "

 

 

[39a]

 

Führerhauptquartier, den 15. 12. 41

 

Chef OKW

OKW/WFSt/Abt. L (I Op.)

Nr. 442164/41 gK. Chefs. B.

 

Geheime Kommandosache

Chef Sache

Nur durch Offizier

 

6 Ausfertigungen

1. Ausfertigung

 

Weisungen

 

Fernschreiben

an nachr. 1.) W.Bfh. Südost

               2.) Ob.d.H..(Op.Abt.)

               3.) Dtsch. Gen. b. H. Qu. d. ital. Wehrmacht, Rom

               4.) Dtsch. Gen. in Agram

1.) Die Lage im Osten erfordert es, alle verfügbaren deutschen Kräfte diesem Kriegsschauplatz in absehbarer Zeit wieder zuzuführen. Um trotzdem die im Rahmen der Gesamtlage dringend erforderliche Ruhe auf dem Balkan sicherzustellen, sind in erheblich vermehrtem Umfange Truppen verbündeter Staaten zur restlosen Beseitigung der Unruhen heranzuziehen. In erster Linie kommen hierfür bulgarische Kräfte für Serbien und die 2. ital. Armee für Kroatien in Betracht.

2.) Ausgenommen von der Besetzung durch fremde Truppen sollen die Industriegebiete bleiben, die von kriegswichtiger Bedeutung für die deutsche Versorgung sind.

3.) Im Endziel sollen nicht mehr als 2 deutsche Sich. Div. zur Sicherung der für uns bedeutsamen Gebiete verbleiben.

4.) Besetzung Griechenlands bleibt unverändert.

5.) OKW ersucht, Vorschläge für Kräfteansatz, Durchführung und Zeitpunkt der Operationen vorzulegen, um auf diesen Grundlagen mit den verbündeten Mächten in Verbindung zu treten. Die Führung wird in Kroatien der 2. ital. Armee zufallen.

Es kann nicht mehr verantwortet werden, daß 6 deutsche Divisionen im serbisch-kroatischen Raum gebunden bleiben, obwohl bulgarische und italienische Kräfte in reichem Maße zur Verfügung stehen.

Wenn nicht in kürzester Zeit die Aufstandsgebiete in Kroa­tien ausgebrannt werden, wird es im Frühjahr notwendig sein, einen Feldzug zu führen.

Zusatz für Dtsch. Gen. b. H. Qu. d. ital. Wehrm.: Die Ansichten des Comando Supremo zu einem derartigen Einsatz der 2. ital. Armee sind einzuholen.

Zusatz für Dtsch. Gen. in Agram: Die Ansichten der kroatischen Wehrmachtführung sind zu diesem Vorhaben einzuholen.

 

Verteiler:

WFSt                   1. Ausf.   nach Abgang

ChefL/Ktb            2. Ausf.  (zgl. Fernschr.)

IH                        3. Ausf.

I K, I L                4. Ausf.

IV                        5. Ausf.

Vo.Wi Rü            6. Ausf.