Protestnote an den Vatikan wegen Äußerungen

des Kardinals Mundelein aus Chicago

 

29. Mai 1937

 

Der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl hat vor kurzem Vorstellungen dagegen erhoben, daß Kardinal Mundelein vor über 500 Priestern des Erzbistums Chikago über das deutsche Staatsoberhaupt, über Mitglieder der Reichsregierung und über gewisse kirchenpolitische Vorgänge in Deutschland in unerhört beleidigender Form gesprochen hat. Insbesondere gab der Botschafter seinem größten Befremden Ausdruck, daß ein Kirchenfürst vom Range des Kardinals Mundelein sich zu unqualifizierbaren Verunglimpfungen des deutschen Staatsoberhauptes hat hinreißen lassen.

 

Hierauf ist dem deutschen Botschafter beim Heiligen Stuhl eine mündliche, später schriftlich bestätigte Antwort gegeben worden, die ich im Auftrage meiner Regierung wie folgt beantworte: Die Deutsche Reichsregierung war bei der im Interesse der Beziehungen zwischenDeutschland und dem Vatikan ihrem Botschafter vorgeschriebenen und von dem Botschafter in diesem Sinn ausgeführten Demarche davon ausgegangen, daß niemandem mehr als dem Heiligen Stuhl selbst daran liegen müsse, diejenigen Schäden abzuwenden, die für das Verhältnis zwischen Deutschland und der Kurie aus den niedrigen Angriffen des Kardinals gegen das deutsche Staatsoberhaupt erwachsen müßten.

 

Die Deutsche Reichsregierung hatte es für selbstverständlich gehalten, daß der Heilige Stuhl von den aller Welt bekanntgewordenen Äußerungen des Kardinals alsbald abrücken, diese korrigieren und sein Bedauern aussprechen werde, wie es im internationalen Verkehr stets guter Brauch gewesen ist. Zu ihrer lebhaftesten Überraschung und zu ihrem tiefen Befremden hat der Heilige Stuhl es jedoch für gut gehalten, in allgemeinen, unsubstantiierten und unrichtigen, aber desto ausfallenderen Bemerkungen darüber, daß der Kardinal höchstens Gleiches mit Gleichem vergolten habe, einen Vorwand zu suchen, um die Vorstellungen des deutschen Botschafters unbeantwortet beiseite zu schieben.

 

Die Deutsche Reichsregierung ist sonach zu der Feststellung gekommen, daß der Heilige Stuhl jene unqualifizierbaren öffentlichen Angriffe eines seiner höchsten Würdenträger gegen die Person des deutschen Staatsoberhauptes unkorrigiert fortbestehen läßt und sie dadurch in den Augen der Welt tatsächlich deckt.

 

Der Heilige Stuhl wird sich darüber im klaren sein, daß sein unerwartetes und unverständliches Verhalten in dieser Sache, solange keine Remedur erfolgt, die Voraussetzungen für eine normale Gestaltung der Beziehungen zwischen der deutschen Regierung und der Kurie beseitigt hat. Für diese Entwicklung trägt die Kurie allein die volle Verantwortung