Brief an Reichskanzler Franz von Papen

 

 

„Nationalsozialistische Weltauffassung gegen Ideenlosigkeit und Dilettantismus“

 

Herr Reichskanzler!

 

Als Sie am 12. Oktober vor dem Bayerischen Industriellenverband in München Ihre große Rede hielten, wurden zwei Absichten bemerkbar: Erstens sollte damit eine Rechtfertigung Ihrer Wirtschafts- und Außenpolitik erfolgen und, zweitens, durch eine geschickte Polemik meine Person und die nationalsozialistische Bewegung angegriffen und erledigt werden. Da Sie mich, Herr Reichskanzler, dabei des öfteren direkt und indirekt anrührten, sehe ich mich gezwungen, auf diese Ihre Rede ausführlich einzugehen. Nach den üblichen Vorbildern neudeutscher Regierungskunst beginnt Ihre Rede mit einer Motivierung Ihrer Außenpolitik, geht dann über in eine Verteidigung Ihrer wirtschaftspolitischen Maßnahmen und endet im Bereiche der innenpolitischen Gestaltung unseres Lebens. Schon die von Ihnen gewählte Reihenfolge Ihrer Themen zeigt den inneren Gegensatz zwischen Ihrer Befruchtung der Lebensvorgänge eines Volkes und der unseren.

 

Als Nationalsozialist beherrscht mich die Erkenntnis, daß Außenpolitik und Wirtschaftspolitik nur Funktionen sind zur Selbstbehauptung und Erhaltung eines Volkskörpers und mithin bestimmt werden von Faktoren, die in inneren Werten dieses Volkskörpers ihre Wurzel haben und aus ihnen ihre bestimmende Anweisung bekommen. Diese inneren Werte umfassen ebenso die an sich im Blute gegebenen wie die durch Vererbung erhaltenen. Sie umfassen weiter die Werte der gesellschaftlichen und staatlichen Organisation eines Volkskörpers. Wenn man im Völkerleben von ‚Reformen’ redet, dann kann es sich unter Berücksichtigung kurzer Zeiträume immer nur um Änderungen in der gesellschaftlichen und staatlichen Organisation der Menschen handeln, da die blutsmäßigen Werte an sich gegeben sind. Werte also, die in kurzen Zeiträumen verdorben, aber nur in langen Zeiträumen verbessert werden können.

 

Allerdings ist die blutsmäßige Aufbesserung eines Volkskörpers die erhabenste Aufgabe des wahrhaften Staatsmannes. Auf keinen Fall aber kann man die Wiedererhebung eines Volkes anbahnen, ohne diese größte Aufgabe im Auge zu behalten, und noch weniger, wenn man sich gegen sie stellt. Im Hinblick darauf, daß die nationalsozialistische Bewegung aber gerade diese Erkenntnis in sich aufgenommen hat, stellt sie sich auf einen geistigen Standpunkt von dauernder Gültigkeit, nicht nur für die Betrachtung und Beurteilung der einzelnen Lebensvorgänge und Funktionen des Volkskörpers, sondern auch für die Durchführung der Absichten, die sich aus der Berücksichtigung dieser Erkenntnis für unser Volk in der Zukunft ergeben. Damit setzt diese Idee die sie vertretende Organisation der nationalsozialistischen Bewegung in den Besitz einer Weltauffassung, die auf eine absolute Totalität Anspruch erheben kann. Und dank dieser universalen Idee ist diese Bewegung auch befähigt, den Kampf gegen andere Weltauffassungen durchzuführen. Es ist deshalb verständlich, daß die Betrachtungen, die ich als Nationalsozialist über die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder außenpolitischen Lebensvorgänge anstelle, in sich geschlossene sind. Daher ist es auch wohl verständlich, daß es für mich schwer ist, mich mit einer Rede zu beschäftigen, deren innere Disharmonie gerade deshalb so hervortrat, weil ihr jeder irgendwie mit dem Verstand zu fassende Ausgangspunkt fehlt.

 

Es ist daher die Aufgabe dieser meiner Erwiderung, gerade die Unlogik nicht nur dieser Ihrer Rede, Herr von Papen, sondern auch Ihres Handelns aufzuzeigen. Daß ein solches Handeln für die Nation nicht nur unzweckmäßig, sondern auf das äußerste bedenklich ist. ergibt sich von selbst. Am sichtbarsten wird der Mißerfolg infolge dieser unlogischen Veranlagung zunächst gerade auf dem Gebiet in Erscheinung treten, das Sie sich, Herr Reichskanzler, als erstes Experimentierfeld ausersehen haben. Die Krise der deutschen Wirtschaft ist eine Erscheinung, die in ihren letzten Ursachen mit einem nur wirtschaftlichen Verstand nicht begriffen werden kann. Das wirtschaftliche Denken ist der Tod jedes völkischen Idealismus. Ihr Ausgangspunkt liegt in dem Mißverhältnis, das zwischen dem deutschen Volke als Zahl seiner Bedeutung aus blutsmäßig gegebenen Fähigkeiten, einem daraus resultierenden Kulturbedürfnis und allgemeinen Lebensstandard einerseits und der als Lebensraum dem deutschen Volke zur Zeit zugewiesenen Reichsfläche andererseits besteht. Das deutsche Volk ist daher gezwungen, entweder seine Volkszahl dem beengten deutschen Boden anzupassen, das heißt sich selbst zu dezimieren, oder die übrige Welt für seine Lebenshaltung in Anspruch zu nehmen, sei es durch das Abschieben deutscher Arbeitskräfte als Auswanderer, oder durch das Hinaussenden der deutschen Arbeitsleistung als Ware. Dieser letzte, seit Jahrzehnten vor dem Kriege bereits unternommene Versuch, die Lebenshaltung des deutschen Volkes durch eine intensive Anteilnahme am Weltverkehr und Welthandel zu ermöglichen, führte Deutschland in den Weltkrieg. Der Weltkrieg wurde verloren, weil die weltanschauliche Zerrissenheit der deutschen Nation einen geschlossenen Einsatz aller völkischen Kräfte nach außen bereits unmöglich machte. Das ohne einheitliche weltanschauliche Auffassung schwankende, zwischen internationalen Marxismus und bürgerlichen, sogenannten nationalen Vorstellungen zerrissene Volk beendete das Ringen um seine damalige Lebensgeltung mit einer Revolution.

 

Die Folgen dieser Revolution des Jahres 1918 waren entsetzliche: Nach ungeheuersten Blutopfern eine außenpolitisch demütigende Kapitulation, ohne daß im Innern der Weltanschauungsstreit eine Beendigung durch den Sieg einer Richtung gefunden hätte. Nicht nur, daß damit Deutschland seinen notwendigerweise dauernd steigenden Anteil an den außerhalb Deutschlands liegenden internationalen Geschäftsmöglichkeiten verlor, trat nunmehr sogar eine vernichtende Schmälerung der bisher innegehabten Beteiligung an internationalen wirtschaftlichen Möglichkeiten ein. Eine vorübergehende, durch Lieferungen auf Grund unsinniger ‚Reparations’-Verpflichtungen mitunterstützte scheinbare Blüte der deutschen Produktion rührte zu einer umfassenden Rationalisierung, zwang aber damit zugleich zu einer schweren öffentlichen und privaten Überschuldung. Das Erwachen aus dem Reparationsunsinn, die allgemeine Einengung wirtschaftlicher Absatzmärkte überhaupt, die gigantische Steigerung der internationalen Konkurrenz führt zum langsamen Leerlauf der auf das äußerste rationalisierten Betriebe und endlich zu ihrem Stillstand. Eine Arbeitslosenarmee wuchs damit heran und wurde zu einem drohenden fünften Stand. Daß man dieser aus dem politischen Verfall unseres Volkes resultierenden Katastrophe nicht mit kümmerlichen finanziellen und wirtschaftlichen Mittelchen Herr werden kann, liegt auf der Hand. Alle Maßnahmen wirtschaftlicher Art zur Behebung dieser Not - und mögen sie noch so schwer und eingreifend sein - sind in ihrem letzten Erfolg zur Aussichtslosigkeit verdammt, wenn nicht der Ursprung des wirtschaftlichen Verfalls erkannt wird!. Diese Diagnose unseres kranken Volkes verpflichtet uns damit, den Heilungsprozeß dort einzuleiten, wo die Krankheit ihren Anfang genommen hat. Es ist dies um so wichtiger, als erfahrungsgemäß im Völkerleben rein wirtschaftliche Maßnahmen, auch wenn sie tausendmal notwendig sind, nur schwer ertragen werden, sowie der ganze Sinn eines Volkes mit nur wirtschaftlichem Denken infiziert ist.

 

Die Bereitwilligkeit zum Ertragen wirtschaftlicher Nöte, ja die allgemeine Opferwilligkeit überhaupt nehmen in eben demselben Umfange ab, in dem die Menschen mangels großer völkisch-politisch aufwühlender und bewegender Gedanken und Aufsahen sich nur mehr mit ihren eigenen wirtschaftlichen Belangen beschäftigen und in ihnen aufgehen. Das wirtschaftliche Denken erzieht am Ende immer zum Egoismus, und nur das völkisch-politische zum Idealismus und damit zum Heroismus. Niemals aber benötigt ein Staatsmann diese gewaltigen Kräfte mehr als in einem Augenblick, da eine scheinbar erdrückende wirtschaftliche Not nur durch die ungeheuersten Anstrengungen überwunden und beseitigt werden kann. In Deutschland haben die Regierungen seit dem Jahr 1918 dies nicht begriffen. Im Gegenteil: Um einer insbesonders unseren bürgerlichen Politikern unheimlich erscheinenden völkisch-weltanschaulichen Krise und deren Lösung in unserem Sinne zu entgehen, vermeinten sie in der Wirtschaft ein taugliches Mittel zum Wiederaufbau des Deutschen Reiches zu besitzen.

 

Als aber die törichte Phrase vom Wiederaufbau Deutschlands allein durch die hurte Wirklichkeit ad absurdum geführt war, begann die Periode der Rettung der Wirtschaft selbst auf dem Notverordnungsweg. Mit Hilfe des Art. 48 löffelte man nun dem wirtschaftlichen Patienten die Gifte und Gegengifte in so schneller Reihenfolge ein, daß die Wirtschaft heute fast ebensosehr an den Medizinen krankt als am ursprünglichen Leiden. Dabei war der Grundcharakter aller dieser Maßnahmen einem uralten Rezept entnommen, das für normale Zeitläufe ohne Zweifel seinen Sinn hat, aber diesen Sinn im Augenblick verlieren muß, wo es sich um eine Katastrophe des heutigen Ausmaßes aus den uns bekannten Ursachen handelt. Man drosselte die Ausgaben und erhöhte die Einnahmen. Die Folgen dieses steuerlichen Vemichtungsfeldzuges konnten nicht ausbleiben und sind nicht ausgeblieben.

 

Trotzdem setzen Sie, Herr von Papen, diese unmöglichen Versuche weiter fort. Die großen Gedanken, die wir Nationalsozialisten seit vielen Jahren prägten und predigten, sind heute von ihnen zum Teil akzeptiert worden, sind aber unter Ihrer unglücklichen Hand so verkümmert, daß höchstens wertvolle Begriffe verbraucht wurden, ohne irgend jemand dabei zu helfen.

 

Was haben Sie, Herr Reichskanzler, aus unserem nationalsozialistischen Programm zur Arbeitsbeschaffung gemacht? Eine armselige Aktion, höchstens zur Belebung des Geldverkehrs, soweit die Banken an ihm teilhaben, um nicht zu sagen gänzlich unzulänglich, überhaupt wertlos aber für den angegebenen Zweck der Arbeitsbeschaffung.

 

Wenn Sie, Herr von Papen, heute noch den Mißerfolg Ihrer großen Aktion bestreiten wollen, dann werden die nächsten Monate ja endgültig erweisen, wer diese Dinge richtig gesehen hat, Sie oder ich. Es handelt sich nicht darum, daß man die Öffentlichkeit mit irgendwelchen Maßnahmen beschäftigt und in Atem hält, sondern daß man den großen und drückenden Sorgen wirklich zu Leibe rückt. Es mag sein, daß ein Teil unserer Wirtschaft, dem ohnehin das Fortfretten von heute auf morgen schon durch die Verhältnisse als des Handelns höchste Weisheit aufgezwungen wurde. Ihren Ausführungen gerührt Beifall klatscht, den Millionen-Armeen unserer vom grauen Elend gepackten Massen wird dadurch weder geholfen, noch haben sie an diesen Vorstellungen irgendeinen inneren Anteil.

 

An diesen Massen aber muß sich Ihre Notverordnung erproben. Und ich sage Ihnen hier, Herr Reichskanzler, Ihre Notverordnung wird diese Probe nicht bestehen. Ja, ich habe die Pflicht als Führer einer Millionenzahl deutscher Volksgenossen - so unangenehm es Ihnen, Herr Reichskanzler, sein mag -, schon hier und heute festzustellen, daß meiner Überzeugung nach Ihr ganzes wirtschaftliches Notverordnungswerk bereits ‚gewogen und als zu leicht befunden’ wurde. Ebenso wie mit dem Programm einer Arbeitsbeschaffung verhält es sich mit dem Programm einer Arbeitsdienstpflicht. Aus einer sittlich und ethisch großen Idee, die wir Nationalsozialisten seit bald 12 Jahren vertreten, haben Sie, Herr Reichskanzler, eine ebenso verfehlte wie unzulängliche Einrichtung gemacht.

 

Während wir Nationalsozialisten durch die Einführung einer allgemeinen Arbeitsdienstpflicht nicht nur ein Arbeitslosen-Reservoir entleeren, sondern zur Überwindung unserer inneren Klassengegensätze die deutsche Jugend ohne Ansehen ihrer Person und Herkunft zum Begreifen der Arbeit als sittliche Pflicht erziehen wollen, um sie in ihr und durch sie aneinander zu gewöhnen und sich gegenseitig kennen, schätzen und lieben zu lernen, bauen Sie, Herr Reichskanzler, ohne jedes Verständnis für diese gewaltige Aufgabe eine Institution auf, die, nur die ‚Enterbten des Glücks’ umfassend, zwangsläufig einst mehr zu einer Gefahr als zu einem Segen des deutschen Volkes werden muß. Damit aber kann ich auch hier leicht ein Prophet sein: Dieser Ihr Versuch hat weder wirtschaftlich, noch sonst irgendeinen wirklich greifbaren Wert.

 

Nicht minder systemlos, unlogisch, ja undurchdacht ist Ihre Stellungnahme zum Gesamtkomplex der sozialen Frage überhaupt. Ihre früher vertretene Ansicht, daß der ‚Wohlfahrtsstaat’ abzulehnen sei, haben Sie anscheinend nunmehr als taktisch unglücklich empfunden und teilen heute. Ihre damalige Ungeschicklichkeit korrigierend, der Öffentlichkeit eine Auffassung mit, die in Wirklichkeit noch viel unglücklicher ist. Sie betonen, daß Sie damals sagen wollten, der Staat sei keine Versorgungsanstalt.

 

Herr Reichskanzler, der Staat ist eine zusammenfassende Organisation menschlicher Wesen zum Zweck der Ermöglichung einer ihrer Art und Fähigkeiten entsprechenden Forterhaltung. Der Staat ist nicht dazu da. daß etwa eine Regierung etwas zu regieren besitzt. Wenn es einem Staat nicht möglich wird. einem Volk die Lebensgrundlagen und damit Lebensvoraussetzungen zu sichern, ist er vollständig zwecklos und damit wertlos. Zu diesen Lebensgrundlagen gehört allerdings im allgemeinen nicht der Bezug von Almosen, dafür aber um so mehr die Möglichkeit einer allgemeinen Betätigung zur Lebenshaltung der einzelnen und damit der Gesamtheit. Unter keinen Umständen kann der Staat seine Uninteressiertheit an der Lebenshaltung, ja Lebenserhaltung von Millionen seiner Bürger aussprechen oder gar vertreten, ohne daß er sich nicht selbst auf die Dauer in Anarchie auflöst.

 

Es ist eine Frage seines allgemeinen inneren sittlichen Wertes sowohl als seiner vernunftgemäßen Organisation, ob er dieser Verpflichtung den einzelnen Bürgern gegenüber durch das Verteilen von Almosen oder durch die Schaffung von Arbeit gerecht werden will. Das eine oder das andere aber muß er tun. Er kann sich nicht beiden Verpflichtungen zugleich entziehen. Wenn allerdings ein Staatsmann so verhängnisvolle Auffassungen über die natürlichen und selbstverständlichen Pflichten der menschlichen Gemeinschaftsorganisationen ihren einzelnen Mitgliedern gegenüber besitzt, dann kann es keinen wundernehmen, wenn an Stelle einer groß erfaßten Sozialpolitik teils verkehrte, teils ungenügende und damit immer den Endzweck verfehlende Maßnahmen treten. Alle diese wirtschaftlichen Halbheiten und Mißgriffe werden aber um so gefährlicher, als von Regierungswegen eine förmliche Hypnose der Nation zum wirtschaftlichen Denken betrieben wird. Was bedeutet es aber, wenn bei einem also orientierten Volk ein Reichskanzler bei dürftigsten realen Erfolgen nichts anderes zu melden weiß, als daß die Regierung ‚beabsichtigt’, ‚erwägt’, ‚prüft’, ‚hofft’ usw.

 

Diese stereotypen Amtsphrasen, Herr Reichskanzler, können vielleicht einen interessanten Einblick in das Kreißen jener Berge vermitteln, denen dann Ihre wirtschaftlichen Mäuse das Leben verdanken, verraten aber mit erschreckender Deutlichkeit, wie gänzlich ziel- und planlos Sie selbst diesen Dingen im Grunde gegenüberstehen. Die deutsche Not wird durch keine Verfassungs-Reform überwunden. Allerdings kann man die Folgen der von der nationalsozialistischen Bewegung geleisteten Erziehungsarbeit über diese Probleme und ihre inneren Ursachen nicht mehr rückgängig machen oder aus der deutschen Nation ausmerzen. Selbst unsere Gegner müssen daher heute zumindest so tun, als ob sie ebenfalls auf dem Wege wären, den inneren Gründen unseres Verfalls nachzuspüren. So versuchen denn also auch Sie, Herr Reichskanzler, Ihrem Handeln den Anstrich einer inneren Mission zu geben, die beim eigenen Ich anfängt und in der ‚göttlichen Ordnung’ aufhört. Ich glaube nun, daß nichts schärfer die Unlogik und Unhaltbarkeit Ihrer Gedankengänge aufweisen kann als der Teil Ihrer Rede, der gedacht ist, eine weltanschauliche Fundierung Ihrer Handlungen vorzutäuschen.

 

Sie sagen: ‚Der führende Staatsmann hat die Verpflichtung, über den Tagesstreit hinweg nach den Gründen der Hindernisse zu forschen, die sich dem Ziel der Nation entgegentürmen, die den Weg blockieren, die die Sehnsucht wieder einmal zu trügen versuchen. Der rührende Staatsmann hat auch, ohne in den Tagesstreit hinabzusteigen, die Verpflichtung, das festzustellen, was die Nation für ihre Urteilsbildung wissen muß.’ Wo waren Sie die letzten dreizehn Jahre, Herr von Papen?

 

Es ist sehr schön, Herr von Papen, daß der ‚rührende Staatsmann’ nach den ‚Gründen der Hindernisse forschen’ soll, die sich dem ‚Ziel der Nation entgegentürmen’. Wenn aber nun die Staatsmänner, Herr von Papen, statt beizeiten zu forschen, 13 Jahre lang in der Zentrumspartei sitzen, dann wird schon nichts anderes übrig bleiben, als daß inzwischen andere sich dieser Forschungsarbeit widmen. Denn man kann nicht gut allen verantwortungsbewußten und sich für das Wohl ihres Volkes sorgenden Männern das Denken einfach verbieten, weil die ‚forschenden’ Staatsmänner noch nicht ihr Amt angetreten haben. Ohne Zweifel, Herr von Papen, hat aber die Welt von Ihrer intensiven Forschungsarbeit bis vor drei Monaten noch keine Kenntnis gehabt. Ich weiß auch wirklich nicht, ob die Ergebnisse dieser Forschung damals schon sehr bedeutende gewesen sein können, denn sonst wäre es selbstverständlich Ihre Pflicht gewesen, zumindest Ihre eigene Partei mit Ihren erschauten Kenntnissen vertraut zu machen. Denn wenn auch nach Ihrer Meinung der Staatsmann nicht in den Tagesstreit hinabsteigen soll, dann befand sich aber zumindest der Zentrumsabgeordnete von Papen in diesem Streit des Tages, und es wäre schon damals seine Pflicht gewesen, innerhalb des Zentrums das festzustellen, was die Nation, soweit sie im Zentrum sich befindet, ‚für ihre Urteilsbildung wissen muß’. Wir Nationalsozialisten, Herr Reichskanzler, haben jedenfalls diese Aufklärung seit 13 Jahren betrieben. Und aus dieser unserer Aufklärungsarbeit, Herr von Papen ist das geworden, was Sie als ‚unseres Volkes Sehnsucht’ bezeichnen. Allerdings das Ziel dieser Sehnsucht ist ein anderes als das, welches das Ergebnis Ihrer Forschertätigkeit Ihnen vermittelt zu haben scheint.

 

Der Unterschied, der zwischen Ihrer Auffassung über das Ziel der deutschen Sehnsucht und der unseren besteht, wird klar durch folgende Ausführungen Ihrer Rede: ‚Wir wollen eine machtvolle und überparteiliche Staatsgewalt schaffen, die nicht als Spielball von den politischen und gesellschaftlichen Kräften hin- und hergetrieben wird, sondern über ihnen unerschütterlich steht wie ein ‚Rocher de bronze’. Die Reform der Verfassung muß dafür sorgen, daß eine solche machtvolle und autoritäre Regierung in die richtige Verbindung mit dem Volk gebracht wird. An den großen Grundgesetzen, die der Teil II der Weimarer Verfassung enthält, soll man nicht rütteln, aber die Formen des politischen Lebens gilt es zu erneuern und den Bedürfnissen des Volkes anzupassen.

 

‚Die Reichsregierung muß unabhängiger von den Parteien gestellt werden.’ Damit, Herr Reichskanzler, sagen Sie folgendes: Es gibt zwei Faktoren: auf der einen Seite die Regierung und auf der anderen das Volk. Die Regierung ist ‚machtvoll’ und ‚autoritär’ und muß ‚in eine richtige Verbindung zum Volk’ gebracht werden. Das ist schon richtig, denn ganz ohne ‚Volk’ natürlich kann auch eine ‚machtvolle’ und ‚autoritäre’ Regierung nicht sein. Allein diese Auffassung eines Gottesgnadentums war bei unseren Monarchien schon überlebt und nicht mehr aufrechtzuerhalten, ist aber in der heutigen Zeit und angesichts der die Welt im Augenblick bewegenden umwälzenden Kräfte einfach absurd. Sie wird nur erklärlich bei einem Manne, an dem die politische Entwicklung der letzten Jahre spurlos vorübergegangen ist und dem auch jede Fähigkeit des ruhigen Durchdenkens dieser Probleme fehlt. Jede Organisation menschlicher Einzelwesen setzt eine gewisse Summe gemeinsamer Auffassungen und gleichmäßig gesehener Interessen voraus. Dieses kann sich schon bis zu einem gewissen Grade aus der rassenmäßigen Einheit eines Volkes ergeben, muß aber ohnedem und darüber hinaus immer durch eine sei es religiös-universale oder weltanschaulich genügend begründete, Erziehung gewährleistet sein. Je weniger der Staat selbst sich mit diesen grundsätzlich wichtigsten Problemen beschäftigt, um so mehr ist er angewiesen auf die Hilfe anderer organisatorischer Gebilde, die diese Mission übernommen und durchgeführt haben. Die Bildung der großen germanischen Reiche als machtpolitische Erscheinungen wäre nie denkbar gewesen ohne die geistige Grundlage des Christentums als religiös-moralische Weltanschauung und Plattform. Dieses geistige System, Herr von Papen, schuf die Voraussetzung für die Gründung und Erhaltung großer menschlicher Gemeinschaften. Seit dieses Fundament, von inneren Schwierigkeiten und Kämpfen erschüttert, wankend wurde, kam in die europäischen Staaten jene Unruhe, die teils in schleichenden Krisen, teils in plötzlich ausbrechenden Katastrophen die Geschichte der letzten 300 Jahre kennzeichnete.

 

Die damit schwankend gewordenen Auffassungen über gewisse Grundbegriffe des Gemeinschaftslebens übertrugen sich selbstverständlich sofort auf die mehr äußeren machtpolitischen Charakter besitzenden staatlichen Gebilde. In diese unsicher und unruhig gewordene Welt kam der Marxismus als eine neue, das gesamte Lehen in ein System bringende Weltauffassung. Der Ausgangspunkt seiner Lebensbetrachtung ist der Begriff ‚Menschheit’. Seine Theorie der Gleichheit aller ist nicht nur wissenschaftlich unhaltbar, sondern auch in erster Linie für die weißen Völker verhängnisvoll, ja tödlich. Seine Angriffswucht hat dank der Mobilisierung eines in den meisten Ländern und Staaten der Erde vorhandenen Untermenschentums nicht nur ein gigantisches Gebiet über halb Asien und einen großen Teil Europas hinweg bereits überrannt, sondern auch in den übrigen Staaten mächtige Stützpunkte eingenommen. Es gehört die ganze gedankliche Oberflächlichkeit unserer alten Herrenschichten dazu, sich einbilden zu können, daß man dieser elementaren Welt-Anschauungskrise eine ‚machtvolle’ und ‚autoritäre’ Regierung gegenüber setzen könnte. Herr von Papen, entweder Sie haben keine Ahnung von der Gefahr, in der der Rest Europas und in erster Linie Deutschland sich dem Bolschewismus gegenüber befindet, oder Sie glauben wirklich, daß einer Weltanschauung ein ‚Kabinett’ gegenübergestellt werden könnte. Das, was Sie reden, ist nichts anderes, als wenn jemand die Auffassung vertreten wollte, man könnte eine Religion beseitigen oder gar ersetzen durch eine ‚Regierung’. Dabei leben wir, Herr von Papen, in einer Zeit, die das Unsinnige dieser Auffassung eigentlich doch zur Genüge dargestellt und bewiesen haben müßte. Trotzdem meinen Sie, daß es eine Regierung von Macht und Überparteilichkeit sein muß, ein ‚Rocher de bronce’, wie Sie sagen, um nicht ‚von den politischen und gesellschaftlichen Kräften hin- und hergetrieben’ zu werden. Herr von Papen, glauben Sie, daß Ihr Kabinett ein härterer ‚Rocher de bronce’ sein wird als die Regierung der Habsburger, jene der Bourbonen, der Romanoffs oder die glanzvolle Tradition der Häuser Hohenzollern, Wettin oder Wittelsbach? Es liegt offenbar in der Natur aller überoptimistischen Restaurationspolitiker, die nichts gelernt und nichts vergessen haben, daß sie immer wieder glauben, das Spiel mit den alten Kräften beginnen zu können. Ihr ganzes Denken, Herr von Papen, kreist um Ihr Kabinett, die Weimarer Verfassung und um die gegenwärtigen Parteien. Daß Verfassung und Parteien aber nur zeitliche Erscheinungen in der Tiefe stattfindender Umwälzungen sind, kommt Ihnen anscheinend nicht zu Bewußtsein. Nur so ist auch Ihre Einstellung zur nationalsozialistischen Idee und Bewegung verständlich, Sie sprechen von einer ‚grundsätzlichen neuen Staatsführung’, und wir reden von einer grundsätzlich neuen Erziehung unseres Volkes in allen Schichten. Denn in derselben Zeit, da Sie, Herr von Papen, ein treues Mitglied der Zentrumspartei waren, habe ich der marxistischen Weltanschauung eine deutsche gegenübergestellt, ausgehend statt vom Begriffe der ‚Menschheit’ vom Begriffe ‚Volk’, oder noch schärfer von Blut und Rasse als den ewigen Bausteinen des Schöpfers.

 

Es ist daher auch nicht, wie sie glauben, Herr von Papen, die Zukunft der deutschen Nation oder der deutschen Wirtschaft abhängig von einer neuen ‚Verfassung’, sondern vielmehr abhängig von der Wiedergewinnung einer für das staatliche Leben geeigneten einheitlichen weltanschaulichen Auffassung. Es ist daher auch unsinnig, wenn Sie, Herr Reichskanzler, sagen: ‚Wir waren uns bewußt, daß das Reich und die Länder nur wiedergesunden werden, wenn es gelänge, dem politischen Willen des Volkes eine neue und bessere Ausdrucksform zu geben, als es das Werk von Weimar vermocht hätte.’

 

Herr Reichskanzler! Welchem politischen Willen wollen Sie denn eine ‚neue und bessere Ausdrucksform’ geben? Sie scheinen keine Ahnung davon zu haben, daß es einen eindeutigen politischen Willen des deutschen Volkes schon lange nicht mehr gibt, weil alle Grundauffassungen verschieden sind. Die Zersetzung jedes einheitlichen weltanschaulichen Denkens in unserem Volke hat dazu geführt, daß dieselben Probleme, die gleichen Lebensvorgänge bei uns eine extrem verschiedene Beurteilung erfahren. Was der in Ihren Augen zu rettende ‚Staat’ ist, ist in den Augen von Millionen ein zu beseitigendes Übel. Was Sie als Grundlage unserer wirtschaftlichen Existenz ansehen und mit Privateigentum bezeichnen, ist für Millionen andere ein Unrecht, das Diebstahl heißt. Was Sie als religiösen Glauben verkünden, ist für andere nur Aberglaube, da diese Gottes Existenz überhaupt leugnen. Was Sie, Herr von Papen, unter ‚Moral’ verstehen, erscheint zahlreichen Millionen unserer Volksgenossen als Unmoral, ja als gesellschaftliche Schmach und Klassenschande usw.

 

Sie haben offenbar nicht sehr tief geforscht, Herr von Papen, sonst müßten Sie das alles wissen. Und Sie müßten und würden dann auch begreifen, daß die deutsche Not keine Verfassungsnot, sondern im tiefsten Sinne des Wortes eine seelische Not ist. Nicht im Herrenklub, sondern durch Leistung wird ‚göttliche Berufung’ bewiesen. Und dann würden Sie am Ende vielleicht sogar begreifen, daß man erst das Denken unseres ganzen Volkes in eine gesunde Entwicklung bringen muß, damit aus diesem Denken dann eine neue Willensbildung erfolgen kann, daß erst aus dieser Willensbildung heraus die Art der staatlichen Organisation gegeben ist. Sie würden dann nicht, Herr von Papen, von ‚konservativer Staatspolitik’ als einer ‚Politik aus dem Glauben’ reden, würden nicht von ‚konservativen Weltanschauungen’ und von ihrer Verankerung in der ‚göttlichen Ordnung’ sprechen. Oder wollen Sie etwa behaupten, Herr von Papen, daß der Herrenklub eine geeignete Studienvereinigung für die Erforschung der göttlichen Ordnung sei und Sie selbst etwa ein Exponent derselben? Wenn wir von der ‚göttlichen Ordnung’ reden, dann ist vorauszusetzen, daß sie nicht unvernünftig, sondern auch nach den Maßstäben menschlichen Begreifens höchste und klarste Vernunft sein muß. Dann aber wird diese göttliche Ordnung in erster Linie fordern, daß den weisesten und fähigsten Köpfen des Volkes auf allen Gebieten des Lebens die Führung und Ordnung der Dinge zukommt. Gott schafft eben nicht vernünftige Wesen, damit unvernünftige führen, nicht kluge, damit beschränkte bestimmen, und nicht sehende, damit blinde regieren. Wenn Sie auch überzeugt sind, Herr von Papen, göttlicher Berufung zu folgen, so müßten Sie uns doch erst den Teil der göttlichen Ordnung nennen, aus dem diese Berufung sich herleitet. Denn sonst, Herr Reichskanzler, gibt es für göttliche Berufung nur einen Beweis, und das ist die Leistung.

 

Was Sie nun, Herr von Papen, in den letzten 13 Jahren staatsmännisch geleistet haben, ist mir ebensowenig bekannt wie der Welt und dem deutschen Volke. Ich erblicke darin jedenfalls kein Anrecht, sich irgendwie auf eine Ihnen übertragene ‚göttliche Mission’ zu berufen. Allerdings, in einem haben Sie recht; Wenn Sie selbst einsehen, daß dieser Mangel der grundsätzliche Unterschied zwischen unserer und Ihrer Auffassung ist. Sie nehmen den Allmächtigen zum Beweis dafür in Anspruch, daß es mit Ihrer staatsmännischen Existenzberechtigung seine Richtigkeit habe, und verkünden damit, daß Ihre Politik eine ‚Politik aus dem Glauben’ heraus sei. Wir dagegen haben die uns vom Allmächtigen gegebenen Kräfte und Fähigkeiten unermüdlich und fleißig eingesetzt und angewandt für die geistige Erziehung und damit politische Erhebung unseres Volkes. Und insoferne haben wir nun tatsächlich einen Glauben aus der Politik, nämlich den an unser Volk und an unsere Leistung. - Allerdings, so ganz überzeugt von Ihrer göttlichen Mission scheinen Sie ja auch nicht immer gewesen zu sein, Herr Reichskanzler, denn als sich die wunderbaren Zufälle Ihrer politischen Ernennung abspielten, war Ihre Forschungsarbeit zu noch nicht klar ausgeprägten Ergebnissen gelangt. Sollten Sie schon damals überzeugt gewesen sein, daß die neue Staatsgewalt mit den Parteien nichts zu tun haben dürfte, ja unabhängig über ihnen stehen sollte, wie konnten Sie mich, Herr von Papen, überhaupt am 13. August einladen, in Ihr Gottesgnaden-Kabinett einzutreten?

 

Sie sagen in Ihrer Rede: ‚Das Angebot des 13. August, das der NSDAP einen Anteil an der Macht im Reich und in Preußen gab, der ihr entscheidenden Einfluß gesichert hätte, hat Herr Hitler nicht angenommen, weil er glaubte, als Führer einer Bewegung, die sich auf 230 parlamentarische Mandate stützt, den Kanzlerposten beanspruchen zu müssen.’ Herr Reichskanzler! Zum einen sagen Sie, daß die ‚neue’, ‚machtvolle’, ‚autoritäre’ Reichsregierung über Parteieinflüssen stehen soll. Zum anderen sagen Sie, daß die nationalsozialistische Partei einen maßgebenden Einfluß bekommen sollte. Und zum dritten sagen Sie in derselben Rede, daß zwischen der ‚konservativen Politik aus dem Glauben’ dieses Kabinetts und dem ‚nationalsozialistischen Glauben aus der Politik’ meiner Partei ein ‚unüberbrückbarer Unterschied’ zu sehen ist. Das ist doch wohl eine Logik, die mit göttlicher Ordnung wirklich nichts mehr zu tun hat.

 

Ich darf mir aber nun, Herr Reichskanzler, weiter die Frage erlauben: Warum sollte ich denn überhaupt einen ‚maßgebenden Einfluß’ in diesem Kabinett ausüben? Mußte nicht dieser Einfluß angesichts des von Ihnen selbst festgestellten unüberbrückbaren Unterschiedes unserer Auffassungen in die von der göttlichen Ordnung inspirierte Einheit Ihres Kabinetts und Einmütigkeit Ihres Ministerrates eine böse Disharmonie hineintragen? Denn, da Sie selbst zugeben, daß die Wurzeln unserer Auffassungen ganz verschiedene sind, mußte dies doch auch eine sehr verschiedene Einstellung zu den verschiedensten Problemen, die nun einmal gelöst werden müßten, zur Folge haben. Wenn das nicht der Fall sein würde, bestünde ja gar keine Notwendigkeit, daß Sie sich auf die ‚göttliche Ordnung’ berufen und mich zum ersichtlichen Vertreter niederer menschlicher Leidenschaften degradieren. Weil aber nun unsere Auffassungen, wie Sie selbst zugeben, nicht gleich sein können, wie konnten Sie mir, Herr von Papen, dann einen ‚entscheidenden Einfluß’ in Ihrem Kabinett einräumen? Denn das heißt doch nichts anderes, als daß hei auftretenden Meinungsdifferenzen am Ende Ihre ‚konservative Politik aus dem Glauben’ zugunsten meines ‚Glaubens aus der Politik’ hätte ins Hintertreffen geraten können. Danken Sie Gott dem Herrn, Herr von Papen, daß mein Nein Sie damals von dieser bösen Verirrung noch gerettet hat! Sollten Sie aber am Ende sogar innerlich bereit gewesen sein, den Einfluß meiner Partei und meiner Person wirklich anzunehmen und ihm nachzugeben - eine andere Möglichkeit bestand Ja bei den Gegensätzen unserer Auffassungen nicht, besonders nachdem ich selbst niemals nachgegeben hätte -. so verstehe ich wirklich nicht Ihr Sträuben gegen die auch nach außen sichtbare Übernahme der Führung durch mich und die Bewegung. Oder glaubten Sie wirklich, daß wir am Ende etwa schweigend Torheiten anderer mitgemacht halten oder unser Wissen hergeliehen haben wurden, damit Dritte es vertun?

 

Herr von Papen! Das kann ich Ihnen sehr deutlich sagen: Entweder wir sollen in die Regierung, dann fordern wir die Führung, oder wir erhalten die Führung nicht, dann muß man auch in einer Regierung auf uns verzichten. Die Möglichkeit aber. in dieser Regierung wirklich seinen Einfluß geltend zu machen, bestand nur dann, wenn zumindest der Posten des Reichskanzlers von der Bewegung, und zwar durch ihren Führer, besetzt wurde. Wenn Sie nun damit die Behauptung aufstellen, daß die Partei oder ich die gesamte Macht gefordert hätten, so ist das. Herr Reichskanzler, eine Unwahrheit. Weder von mir, noch von irgend jemand anderem ist eine solche Forderung erhoben worden. Aber gerade, weil der verhandelnde Minister mir erklärte, daß eine Reihe der wichtigsten Ministerien zumindest im Augenblick vom Reichspräsidenten uns verweigert werden würden, mußte ich um so mehr die Forderung stellen, daß dann aber die Stelle des Reichskanzlers der Bewegung zufalle. Denn wie können Sie, Herr Reichskanzler, von einer Forderung der gesamten Macht reden, während Sie doch genau wissen, daß von vorneherein

das Reichswehr-Ministerium,

das Reichswirtschafts-Ministerium,

das Reichsfinanz-Ministerium,

das Reichsjustiz-Ministerium,

das Reichspost-Ministerium,

das Reichsernährungs-Ministerium von unserer Bewegung nicht besetzt werden sollten.

 

Im übrigen hat die nationalsozialistische Bewegung und habe ich nur eine Forderung aufgestellt, für die wir das tatsächliche und moralische Recht auf unserer Seite hatten. Würde ich nicht Adolf Hitler und deutscher Nationalsozialist sein, sondern internationaler marxistischer Sozialdemokrat, wäre meiner Ernennung zum Reichskanzler genau so wenig im Wege gestanden, wie wir das an analogen Beispielen von früher her kennen. Die Beweggründe aber, die Sie der Öffentlichkeit, Herr Reichskanzler, als maßgeblich für die Entscheidung des Reichspräsidenten mitteilten, berühren mich um so weniger, als mir der tatsächliche Hergang der Dinge genau bekannt ist. Im übrigen muß ich wirklich an Mimes klagende Begrüßung vor dem erschlagenen Drachen denken, wenn ich den kurzen Sinn aus Ihrer langen Rede herauslesen will. Wenn die ‚Ritter’ der bayerischen Industrie jemals durch das Blut eines erschlagenen Lindwurmes sehend geworden waren, dann hätte sich die Rede ungefähr folgendermaßen angehört:

 

‚Meine lieben bayerischen Landsleute! Ich komme ja nicht, weil mich so sehr die Liebe zu Euch herführt als vielmehr die Sorge. Seit vielen Jahren hat das Zentrum im Verein mit Sozialdemokraten, Demokraten, Volksparteilern und manches Mal und mancherorts auch mit deutschnationalen Bundesbrüdern regiert. Da ist in Deutschland ein Mann aufgestanden, um gegen uns zu bohren und zu wühlen, das Volk aufzuklären, uns zu entfremden und am Ende abspenstig zu machen. Jahrelang haben wir alles versucht, um uns dieser schlimmen Gefahr zu erwehren. Anfänglich nahmen wir ihn leider nicht ernst genug. Später liefen ihm schon so viele Menschen nach, daß man nur mit der Gewalt des Staates hätte seiner Herr werden können. Wir haben nun alles versucht, um ihn und seine nationalsozialistische Partei von Staatswegen unschädlich zu machen. Die Parlamentskollegen Severing, Grzesinski und Braun haben manches getan,. diesem Störenfried unserer selbstzufriedenen Regierungen etwas Gesetzwidriges nachzuweisen. Ja, unser Parteibruder Wirth hat mit vieler Mühe und saurem Fleiß hundert Seiten lange Denkschriften fabriziert, um aus Zitaten von Reden - von denen, wie ich im Vertrauen sagen will, wir gar nicht behaupten wollen, daß sie je gehalten wurden - illegale Absichten oder verbotene Zwecke diesen schändlichen Volksaufwieglern aufzuhängen. Ja, wir hüben ihren Führer in den Gerichtssaal geschleppt, ihn Eide schwören lassen, daß er dir Verfassung legal beobachten wolle, und hinterher behauptet, daß er dennoch nicht legal sei. Es war alles umsonst. Sie sind leider legal geblieben. Die Zahl dieser Nationalsozialisten wuchs und wuchs. Sie kamen immer mehr in die Parlamente, und endlich, meine lieben bayerischen Landsleute von der Industrie, Sie wissen es ja selbst, kamen 107 in unseren Reichstag. Anderthalb Jahre lang hat es unser Reichskanzler Brüning versucht, sie wieder klein zu machen. Aber unser Regiment führte ihnen immer neue Scharen zu, so daß wir endlich zur Überzeugung kamen: Hier kann keine Gewalt mehr helfen, sondern nur mehr listige Klugheit und kluge List. Da es selbstverständlich war, daß nach dem normalen Brauch der Verfassung diese Nationalsozialisten in der Zukunft mit der Regierungsbildung hätten betraut werden müssen, haben wir ein neues Wort erfunden – ‚Präsidial-Kabinett’ -, um damit diese jetzt unbrauchbare Verfassung tatsächlich außer Kraft zu setzen und die Regierungsgewalt doch in Händen zu behalten. Obwohl wir die Wahlen erst für den 31. Juli ansetzten, und in der Zwischenzeit so regierten, um mit unseren Maßnahmen die blinden Toren zu belasten, erhielten sie doch die erschreckende Zahl von 230 Mandaten. In dieser Not konnte nur eines helfen: Wir wollten Sie nun - überzeugt, daß sie, nichts Böses ahnend, freudig gerührt und beglückt einschlagen würden - in unser Kabinett, das nicht nur die Unterstützung aller Juden, sondern auch vieler Aristokraten, Deutschnationaler und Stahlhelmer besitzt, einladen und aufnehmen. Wir wollten ihnen damit schon langsam die Giftzähne ausbrechen. Waren Sie einmal von unserer Partie, dann konnten sie nicht mehr zurück. Mitgefangen, mitgehangen! Es kam aber, wie Ihr, liebe bayerische Landsleute, wißt, leider ganz anders. Dieser Fuchs scheint plötzlich von irgendwoher Lunte gerochen zu haben und ging nicht in unsere Falle. Nun müssen wir unsere Notverordnungen selbst verteidigen und schauen, wie wir die Notwendigkeit unserer Existenz irgendwie moralisch und sittlich und wenn möglich sogar noch religiös begründen können. Ihr könnt mir glauben, meine lieben Landsleute von der bayerischen Industrie, daß mir das schwer wird. Ich bin in manchem Sattel gesessen und traue mir hier etwas zu, aber in Weltanschauungen finde ich mich nicht so leicht zurecht. Ihr müßt es aber glauben, was ich Euch jetzt sage, und wenn Ihr's nicht könnt, dann müßt Ihr wenigstens so tun, als ob Ihr's glaubtet. Denn die Not ist groß: Kein Mensch weiß, wie das seit dreizehn Jahren am Narrenseil geführte Volk sich am 6. November entscheidet! Daher treibt es mich jetzt herum, von einem Ort zum anderen, immer von der Angst geplagt, es könnte mich unversehens ein Parteibruder von früher begrüßen, immer von der Sorge gequält, die passenden Worte zu finden - um das zu sagen, was ich nicht denke, und was ich denke, zu verschweigen.’

 

So verstehe ich und so verstehen wohl auch meine Anhänger den düsteren Sinn Ihrer Rede, Herr von Papen. Es dürfte leicht sein, fast jeden einzelnen Satz Ihrer Behauptungen zu widerlegen und seine Unlogik nachzuweisen. So, wenn Sie, Herr von Papen, z. B. erwähnen, daß im politischen Leben ‚Namen und Personen nichts zur Sache bedeuten’. Es mag Ihnen ja unbenommen sein, wie Sie die Wichtigkeit Ihres Namens und Ihrer Person geschichtlich einzuschätzen belieben, allein Sie können nicht gut behaupten, daß es belanglos gewesen sei, ob in der Welt Julius Cäsar, Friedrich der Große, Napoleon, Bismarck oder irgend jemand anderer, beliebiger, Geschichte gemacht hätten. Diese eigentlich typisch marxistische, der materialistischen Geschichtsauffassung entsprechende Meinung steht allerdings in schärfstem Gegensatz nicht nur zu unserem ‚Glauben aus der Politik’, sondern sogar zu Ihrem eigenen ‚Glauben an die göttliche Ordnung’.

 

Ich möchte aber auch hier nicht das Wesentliche gegenüber dem Unwesentlichen zu kurz kommen lassen, und wesentlich scheint mir vor allem eine Stellungnahme zur Schilderung Ihres außenpolitischen Wollens. Gerade hier sind Sie, Herr Reichskanzler, am meisten unwirsch und fordern das blinde Mitgehen aller im politischen Leben stehenden. Begreiflich ist dieses Verlangen, zu rechtfertigen aber nur dann, wenn es auf tatsächliche Leistungen oder zumindest auf eine logische Arbeit hinzuweisen vermag. Schon Ihr außenpolitischer ‚Erfolg’ in der Lausanner Konferenz war ein mehr als unbefriedigender.

 

Es war die eine große Chance, Deutschland ohne große Töne, aber in zähester Entschlossenheit von den Lasten der Reparationen einmal für immer zu befreien. Dabei kam diesem Versuch mehr als eine formale Bedeutung zu. Die Nation forderte in der von Ihnen, Herr Reichskanzler, so heftig gewünschten Einmütigkeit, daß unter keinen Umständen die Reparationen wieder aufleben dürften. Die nationalsozialistische Bewegung hat mit ihrem ewigen, unermüdlichen Kampf hier am meisten den Boden vorbereitet. Sie, Herr von Papen, aber ließen sich erst in Lausanne auf die Basis eines Kompromisses zwischen Reparationen und Gegenleistungen bringen und blieben endlich in einer neuen Reparationsanerkennung stecken, während die Gegenleistungen selbstverständlich ausfielen. Herr Herrief konnte mit billigen Lorbeeren nach Paris zurück und in den Wahlkampf ziehen. Viel schlimmer und in den Folgen verhängnisvoller ist aber die Art der Behandlung des Abrüstungsproblems.

 

Wenn ich Ihre Rede mit einer Kritik Ihres tatsächlichen Verhaltens beantworte, dann möchte ich dies hier noch besonders begründen: Da jeder geschichtliche Zustand das Ergebnis zahlloser politischer Handlungen ist, so muß aus seiner Güte oder Fehlerhaftigkeit ein Rückschluß gezogen werden können auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Einzelhandlungen selbst. Und da für jede Handlung Menschen verantwortlich sind, so ist es nicht verwunderlich, daß in der geschichtlichen Berichterstattung der Völker eine freudige Offenheit über die Männer herrscht, die wirklich oder vermeintlich für richtige und gute Handlungen verantwortlich sein wollen, umgekehrt aber eine bemerkenswerte Anonymität über die Männer, Ursachen und Beweggründe schlechter Maßnahmen. Der Nachwelt bleibt es überlassen, in den inneren Ursachen großer Völkerkatastrophen herumzustöbern, um, so gut es geht, nicht nur die Gründe des Verfalls, sondern auch die verantwortlichen Männer festzustellen. Diese Arbeit aber ist sehr schwierig, da die regierenden Gewalten zu allen Zeiten wohl gute, niemals aber schlechte Handlungen mit sich in Zusammenhang gebracht wissen wollten und mithin bewußt über die schlechten einen Schleier legten, den auch die Nachwelt nicht immer durchschauen oder gar zerreißen kann. Gelingt es aber dennoch einmal, dann könnte die Menschheit wohl aus den vorliegenden Erfahrungen lernen; wie wenig sie solche Lehren aber wirklich beherzigt, zeigt die tausendfältige Wiederholung der längst erkannten Fehler, die unsterblich sind, weil sie ihre Quellen in ebenso unsterblichen menschlichen Eigenschaften haben: Nicht nur in Dummheit, mehr vielleicht noch in Angst, Schwäche, Bequemlichkeit war der daraus sich ableitenden Hoffnungsseligkeit. Daher genügt niemals nur die beschauliche geschichtliche Prüfung der Vergangenheit, sondern es ist notwendig, für die gewonnene Erkenntnis jederzeit offensiv zu kämpfen und eine lebendige Kritik an der Gegenwart zu üben. Diese Kritik kann unter Umständen durch Heranziehung geschichtlicher Erfahrungen in den augenblicklichen Prozeß der Entwicklung eingreifen, diesen von Irrtümern befreien und damit für ein Volk günstiger gestalten.

 

Daß sich gegen eine solche Kritik der vehemente Widerstand der für das politische Leben verantwortlichen Männer richtet, darf nicht wundernehmen. Dem geschichtlichen Byzantinismus mag es vorbehalten bleiben, die Verantwortlichkeit für das Gelungene hervorzuheben, die Kritik hat die Aufgabe, die Verantwortung für Irrtümer, Fehler oder Verbrechen festzulegen. Damit ist sie aber nicht mehr Kritik um der Kritik willen, sondern sie soll beitragen, Fehler zu verhüten oder wiedergutzumachen. Verbrechen aufzuklären, um ihre Wiederholung zu verhindern, kurz, sie soll eine schlechte Entwicklung in eine bessere umändern.

 

Gewiß wird der Kritik - und mag sie noch so recht haben - dieser Versuch nicht immer gelingen. Die menschlichen Schwächen und die menschliche Unzulänglichkeit sind als Quellen menschlicher Irrtümer und schlechter Handlungen oft viel größer als das Vermögen und die Bereitwilligkeit, der Stimme der eigenen besseren Einsicht oder fremder vernünftiger Ratschläge zu folgen. Im politischen Leben aber kann diese Einsicht die Kritik nicht von der Verpflichtung entbinden, gegen erkannte Fehler anzukämpfen, einer falschen Entwicklung gegenüber die geschichtliche Verwahrung, einzulegen. Wie soll ein Volk die Mißregierung der daßir verantwortlichen Männer erkennen, wenn nicht im Ablauf der Handlungen Besserdenkende öffentlichen Einspruch erheben!? Nur die festgelegte Ablehnung eines geschichtlichen Irrtums in der Periode des Entstehens und des Vollzugs schafft das Recht, gegen die dafür Verantwortlichen aufzutreten und ihre Entfernung zu fordern. Wohl bleibt dabei abzuwägen, in welchem Umfange ein? solche Kritik der vollen Öffentlichkeit unterbreitet werden kann oder nicht. Die Entscheidung darüber ist dann am schwierigsten, wenn es sich um Vorgänge des außenpolitischen Lebens handelt; Von vornherein wird hier jede Regierung eine Kritik ihres Handelns um so mehr ablehnende elender dieses Handeln ist. Man wird sich der unangenehmen Warner in außenpolitischen Dingen dadurch zu entledigen versuchen, indem man ihr Handeln als staatsgefährlich, ja als die staatliche Sicherheit bedrohend, brandmarkt. Wenn ich mich daher an dieser Stelle kritisch mit der Art der Behandlung auseinandersetze, die Ihre Regierung, Herr von Papen, dem Abrüsfimgsproblem angedeihen läßt, dann geschieht dies nicht als Kritik um der Kritik willen, nicht in der Meinung, das unmögliche Verfahren sogleich ändern oder bessern zu können, sondern ausschließlich aus dem Gefühl der Pflicht. heraus, als Führer der größten deutschen Bewegung in dem Augenblick die öffentliche geschichtliche Verwahrung einzulegen, in dem aus weiterem Schweigen später die Auffassung der geschichtlichen Mitverantwortung oder gar Mitschuld abgeleitet werden könnte.

 

Vorausschickend möchte ich dabei feststellen, daß ich das Verhalten und Verfahren Ihrer Regierung, Herr von Papen, in dieser historisch so wichtigen Frage für ebenso falsch wie undurchdacht halte. Treffendere und daher schärfere Kennzeichnungen verbieten mir leider die Gesetze. Diese meine Auffassung zu begründen, ist die Aufgabe der nachfolgenden Darlegungen. Vor ungefähr zwei Monaten erhielt ich in Berlin den Besuch eines früheren deutschen Reichsaußcnministcrs, der mir vor Antritt seiner Reise nach Amerika noch die Frage vorlegte, welchen Eindruck ich von dem Stand der Abrüstungsfrage besäße. Ich setzte ihm damals in kurzen Zügen meine Meinung auseinander, so wie ich es jetzt an dieser Stelle tue. Ich erklärte ihm, ich hielte ihr Verfahren, Herr Reichskanzler, für gänzlich unmöglich und sei überzeugt, daß als Ergebnis eine neue Festlegung Deutschlands auf den Versailler Vertrag herauskommen werde. Daß vor allem aber Frankreich durch dieses Vorgehen in seiner Lage der außenpolitischen Isolierung eine wesentliche Erleichterung erhalte, ja am Ende die Verantwortung für das Scheitern der Abrüstung von sich auf Deutschland abschieben werde. Die Entwicklung hat mir unterdes vollkommen recht gegeben. Ich kann daher heute meine damalige Kritik Ihrer Außenpolitik. Herr von Papen, ohne jede Korrektur ruhig der Öffentlichkeit unterbreiten. Wenn man schon in den Jahren vor dem Kriege von einer tiefgehenden Ziel- und Planlosigkeit der deutschen Außenpolitik sprechen konnte, dann hat sich dieser Zustand seit 1918 nicht nur nicht gebessert, sondern laufend verschlimmert. Besonders seit einigen Jahren erscheint das Vorgehen der deutschen Außenpolitik immer weniger durchdacht und damit immer unlogischer und unvernünftiger.

 

Das Mißverhältnis zwischen der inneren Verfassung Deutschlands und den außenpolitischen Absichten tritt vor allem seit Stresemanns Tod immer verhängnisvoller in Erscheinung. Stresemann selbst akzeptierte den nationalpolitischen inneren Verfall, die marxistisch-demokratisch-defaitistische Verlotterung unseres Volkes als einen gegebenen Zustand und richtete danach seine Außenpolitik ein. Seine Politik der Unterwerfung und Erfüllung mußte wirtschaftlich zum Zusammenbruch fuhren. Politisch war sie die logische und konsequente äußere Fortführung unseres inneren Treibens. Die nationale innere Kraftlosigkeit zwang zu einer ähnlichen Politik nach außen, und diese ihrerseits wieder bedingte die Aufrechterhaltung der inneren nationalen Schwäche. Dieser Kreislauf kann nur von innen durchbrochen werden. D. h. die innere nationale Erhebung muß die Voraussetzung für eine andere äußere Politik schaffen. Diese Erhebung kann nicht von den bisherigen bürgerlichen oder marxistischen Parteien ihren Ausgang nehmen. Sie setzt eine allgemeine Regeneration des deutschen Volkes voraus, die in der notwendigen Totalität nur durch eine neue Bewegung erzielt werden kann. Diese hat sich als Künderin einer Idee aus dem Niveau einer Partei zur Trägerin des Staates und damit zur offiziell anerkannten Staatsauffassung durchzuringen. Durch diesen Vorgang einer inneren Neubelebung verschiebt sich zwangsläußg die außenpolitische Position des deutschen Volkes zu seinen Gunsten.

 

Die nationalsozialistische Bewegung hat sich diese Aufgabe gestellt, praktisch aufgefaßt und befindet sich mitten in ihrer Durchführung. Gleichlaufend mit dem Steigen ihrer innerpoli-tischen Bedeutung erleben wir eine Verschiebung der außenpolitischen Stellung Deutschlands. Es kann aber keine Täuschung darüber herrschen, daß dieser innerpolitische Prozeß der Regeneration unseres Volkes erst eingeleitet und noch lange nicht durchgeführt ist. Die Regierungen nach Stresemann konnten die Politik des Übergehens der nationalen Erneuerung nicht mehr weiter aufrechterhalten. Die nationalsozialistische Bewegung begann, ihren Angriff gegen den bürgerlichen und marxistischen Klassenstaat mit immer schärferer Vehemenz zuführen. Die Regierungen, parteimäßig beengt und mit Scheuklappen versehen, erkannten nicht die eminente Bedeutung dieses Vorganges für die Gestaltung des Verhältnisses Deutschlands zu den übrigen Nationen. Ja, als sie endlich selbst zu außenpolitischen Aktionen übergingen, die scheinbar mit der fortschreitenden inneren Neubelebung der Nation geistig verwandt sein sollten, da geschah es nicht, um eine Übereinstimmung der Außenpolitik mit der tatsächlichen inneren Lage herbeizuführen. Nein, im Gegenteil: es geschah nur, um durch das Vorwegnehmen außenpolitischer Möglichkeiten der innerpolitischen Entwicklung einen Riegel vorzuschieben oder ihr zumindest den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dies allein erklärt eine Reihe von aggressiven Handlungen, die ihrem ganzen Wesen nach als Akte einer bewußt nationalen Demonstrationspolitik gedacht waren, um damit der nationalen Bewegung in Deutschland die außenpolitischen Argumente zu entwinden. Denn diese nationale Bewegung betonte ja, daß die verhängnisvolle Politik der Unterwerfung, Demütigung und Erfüllung die Folge der inneren geistigen, moralischen und tatsächlichen Abrüstung aller Werte unseres Volkes war. Die entsetzlichen Folgen dieser inneren Zerstörung konnten aber durch nichts besser illustriert werden als durch das dadurch bedingte außenpolitische Handeln unserer Regierungen. Was lag also den derzeitigen Regierungsmännern näher, als diese außenpolitische Handlungsweise zu ändern, um innenpolitisch der verhaßten Opposition ihre zugkräftigsten Beweise und damit Antriebe gegen die Regierung zu nehmen. Daß dieses Vorhaben jammervoll mißlingen mußte, kam dabei den verantwortlichen Regierungsmännern gar nicht zum Bewußtsein. Im Gegenteil, während der aus innerer Verantwortlichkeit handelnde Neuerhauer seines Volkes von vomeherein jede außenpolitische Aktion in peinliche Übereinstimmung zum Smnde der inneren Wiedergeburt zu bringen bemüht sein wird, beginnt derjenige, der in der außenpolitischen Tätigkeit nur ein Mittel zum Abwürgen der nationalen Opposition sieht, mit Phrasen und bombastischen Redensarten um sich zu schleudern, und setzt damit die deutsche Politik einer Beurteilung aus, die Deutschland schon vor dem Kriege mehr geschadet als genützt hat. Wobei aber damals hinter solchen Tönen immerhin die erste Armee der Welt stand, während seit dem Jahre 1918 nur mehr eine zerrissene Nation dahinter zu finden ist.

 

Ein klassisches Beispiel einer derartigen Demonstrationspolitik war der Zollunionspakt, ein Unternehmen, das vom ersten Augenblick an zum Scheitern verurteilt war. Eine Regierung - die es gerade damals nicht verstand, eine nutzbringende Mobilisierung der nationalen Kräfte im Innern vorzunehmen - überrascht die Welt mit einer außenpolitischen Aktion, die, ganz abgesehen von ihrer schlechten Vorbereitung, zur Durchführung eine immense dahinterstehende nationale Kraft erfordert hätte. Aber nicht nur, daß diese Kraft nicht dahinter stand: nein, man glaubte sogar im Gegenteil durch diese von oben eingeleitete politische Aktion die Behauptung der Notwendigkeit einer inneren nationalen Regeneration widerlegen zu können. Weshalb soll überhaupt eine innere nationale Erhebung nötig sein, wenn doch die Regierung und der Herrenklub ohnehin ‚nationale Politik’ machen wollen? Es ist dabei charakteristisch, daß, je innerlich schwächer Regierungen in solchen Fällen zu sein pflegen, um so äußerlich aggressiver ihre Aktionen werden. Bismarck würde die Zollunionsfrage nur nach peinlichsten und gewissenhaftesten Vorarbeiten und Sicherungen nach allen Seiten angegriffen haben. Neudeutsche Regierungen überfallen aber damit plötzlich die Welt. Die Folge kann dann freilich nur eine vernichtende Niederlage sein. Ihr Vorgehen, Herr von Papen, in der Abrüstungsfrage und anläßlich der Abrüstungskonferenz beweist, daß man seit diesem Zollunionspakt nicht mir nichts gelernt hat, sondern daß man sich im Gegenteil bemüht, diese Art geistloser Demonstrationspolitik in erhöhtem Maße fortzuführen. Dabei zeigt sich, wie wenig Sie die gesamte Situation überhaupt erfaßt haben.

 

Durch den Friedensvertrag von Versailles wurden einige Nationen, in erster Linie die deutsche Nation absolut wehrlos gemacht. Die Absicht war, dank dieser Wehrlosigkeit, erstens Deutschland unerträgliche Erpressungen auflasten zu können - die neuerdings in ihrer Folge zur Zerstörung der gesamten Weltwirtschaft fuhren mußten und gerührt haben -, und zweitens bei irgendeiner günstigen Gelegenheit das französische Kriegsziel der vollkommenen Vernichtung Deutschlands wieder aufgreifen und ohne wesentliches Risiko durchführen zu können. Verbrämt wurde diese Absicht mit der scheinheiligen Beteuerung, die Abrüstung Deutschlands habe nur den Zweck, die Abrüstung der anderen Nationen ebenfalls einzuleiten und durchzuführen. Der innere Zusammenhang zwischen deutscher und allgemeiner Abrüstung wurde damit von den Vätern des Friedensdiktats selbst vertraglich niedergelegt. Bekanntlich wurde die Abrüstung an Deutschland hundertprozentig vollzogen. Alle gegenteiligen Behauptungen des Auslandes sind zu durchsichtigen Zwecken erfundene Lügen.

 

Sie wären zumindest zum Teil nicht denkbar, wenn sich nicht aus der Welt der marxislisch-pazißstischen Parteien immer wieder Kreaturen fänden, die für klingenden Lohn vor keiner Fälschung und Verdrehung zurückschrecken . Die Welt und insbesondere Frankreich haben nicht abgerüstet. Was jeder vernünftige Mensch von vornherein wußte, ist eingetreten. Frankreich hat keinen Augenblick daran gedacht, der Ahrüslung Deutschlands zu folgen, sondern im Gegenteil durch ein System von Militärkonventionen seine Position in Europa so gefestigt, daß der Schritt zur unbedingten Hegemonie kein sehr großer ist. Nun soll durch eine internationale Konferenz die im Friedensvertrage von Versailles festgelegte allgemeine Abrüstung eingeleitet oder zumindest irgendwie gefordert werden. Auch Deutschland ist an dieser Konferenz beteiligt. Es erhebt sich vorweg die Frage, was kann man überhaupt nach menschlicher Vernunft von einer solchen Konferenz erwarten? Mir scheint da eine Erkenntnis grundsätzlich wichtig zu sein:

 

Im allgemeinen werden auf Konferenzen niemals tiefgehende Veränderungen bestehender Zustände geschaffen, sondern immer nur bereits vollzogene Vorgänge ratifiziert. Die Kräfte die dus Leben wirklich gestalten, treten nicht am Konferenztisch in Erscheinung. Das Leben schafft einen bestimmten Tatsachenzustand, und Konferenzen verwandeln ihn höchstens in einen formalen Rechtszustand.

 

Auch die deutsche Abrüstung ist nicht durch die Friedenskonferenz von Versailles bewerkstelligt worden, sondern durch die erbärmliche Revolution unsrer marxistischen Landesverräter, die das deutsche Volk vergifteten, die deutsche Waffe zerbrachen und damit ein großes Reich de facto wehr- und waffenlos gemacht, zur ‚Konferenz’ schleiften. Das Versailler Diktat hat nur das Verbrechen dieser marxistischen Volkszerstörer endgültig bestätigt. Es ist für einen Staatsmann, Herr von Papen, notwendig, sich dieses vor Augen zu halten, um von vorneherein nicht falschen Hoffnungen zu erliegen. Denn es ist eine falsche Hoffnung, zu glauben, daß nunmehr irgendein Unrecht, das uns durch die Gegner zugefügt und durch diesen Vertrag bestätigt wurde, auf dem Wege einer Konferenz wiedergutgemacht werden könnte. Es ist über auch genauso unsinnig zu denken, daß die Macht, die uns abrüstete, nun heute, ohne dazu gezwungen zu sein, selbst ebenfalls ernstlich abrüsten würde!

 

Wenn eine deutsche Vertretung in der Meinung nach Genf geht, es könnte dort gelingen, Frankreich zu einer freiwilligen Selbstabrüstung zu bewegen, dann soll man diese Vertretung nur schleunigst wieder zurückholen; denn sie bestände aus unfähigen Männern. Genauso falsch ist es aber zu denken, daß Frankreich je freiwillig in eine deutsche Aufrüstung einwilligen wird. Denn in beiden Fällen handelt es sich um das gleiche: Um eine zu unseren Gunsten erfolgende Verschiebung der derzeitigen Kräfteverhältnisse zwischen Frankreich und uns. Die aber will Frankreich um keinen Preis. Daß Frankreich dabei noch von seinen Vasallenstaaten auf das eindringlichste unterstützt wird, ist verständlich. Wenn aber an sich das Scheitern der Abrüstungskonferenz, zumindest insoweit es sich um eine auch nur irgendwie fühlbare Abrüstung Frankreichs handelt, unausbleiblich ist, kann es sich für die deutsche Diplomatie nur darum handeln, die Schuld für das Unterbleiben der Abrüstung eindeutig als ausschließlich bei Frankreich liegend festzustellen. Dies ist wichtig, weil nur dadurch langsam die Rechtsgültigkeit des Versailler Diktates erschüttert werden kann. Zu dem Zweck hätte Deutschland auf dieser Abrüstungskonferenz unentwegt und beharrlich Frankreichs Abrüstung fordern müssen. Dies hätte Frankreich zwangsläufig in eine Isolierung geführt. Es durfte damit aber unter keinen Umständen mit einem eigenen Aufrüstungsprogramm vor die Welt oder gar vor diese Konferenz getreten werden. Denn erstens sind zumindest diese Konferenzen gar nicht in der Lage, diese Frage zu entscheiden.

 

Nicht in Lausanne oder Genf wird aufgerüstet, sondern letzten Endes in Deutschland. Und nicht in Genf kann eine solche Aufrüstung auf die Zustimmung der anderen Nationen rechnen. Auch daß Deutschland tausendmal das Recht zu einer Angleichung seiner Rüstungen an die der anderen Nationen besitzt, dieser Vorgang wird - da es sich hier um eine effektive Kräfte-Verschiebung im Völkerleben handelt - nicht zu einer internationalen Ratifikation führen, wenn er an sich nicht schon vollzogene Tatsache ist. Dazu fehlen aber im Augenblick fast alle Voraussetzungen.

 

Zweitens gibt man damit nun Frankreich die Möglichkeit, die ihm unerwünschte Diskussion i'iber seine Nichtahrüstung umzubiegen in eine dafür um so erwünschtere Beschäftigung mit der theoretisch geforderten deutschen Aufrüstung. Frankreich erhält damit am Ende sogar die Möglichkeit, seine vorhandene Rüstung und beabsichtigte Nichtabrüstung als notwendig zu begründen durch den Hinweis auf die behaupteterweise beabsichtigte Aufrüstung Deutschlands, obwohl in Wirklichkeit keinerlei Rüstung Deutschlands vorhanden ist. Es wäre dabei gar nicht notwendig gewesen, daß die deutsche Delegation die Genfer Abrüstungskomödie etwa bis ins Endlose mitgemacht hätte. Es konnte genügen, den Willen Frankreichs nicht abzurüsten, vor der ganzen Welt eindeutig klarzustellen, um dann die Konferenz mit dem Bemerken zu verlassen, daß damit der Friedens vertrag von Versailles von den Signatar-mächten selbst verletzt sei und Deutschland sich vorbehalten müsse, daraus unter Umständen die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Dabei hätte man auf das schärfste betonen können, daß das Vertragswerk, da es in der deutschen Abrüstung nur einen Vorläufer zur allgemeinen Abrüstung sehe, selbst keine verschiedenwertigen und verschiedenberechtigten Nationen auf die Dauer anerkenne. Für Deutschland sei dies um so selbstverständlicher, als es gleichberechtigtes Mitglied im Völkerbund ist und, abgesehen davon, als Nation von 65 Millionen Menschen von vorneherein eine entsprechende Behandlung verlangen könne.

 

Es ist aber auch hier zu bedenken, daß die Gleichberechtigung der Völker nicht in den Stimmen liegt, die sie bei internationalen Konferenzen in die Urne legen können, als vielmehr in der Kraft, die sie in die geschichtliche Waage zu werfen vermögen. Diese Kraft aber ist eine innere. Sie verkörpert sich nicht in Regierungen, sondern im Gesamtgehalt eines Volkes. Daß Deutschland aber durch sehr unkluge Formulierungen seiner Wehrforderungen und durch eine noch unklügere Taktik der Anbiederung an Frankreich nunmehr bis zu einem gewissen Grade sogar eine Einheitsfront der Signatarmächte gegen Deutschland herstellte, war das Schlimmste, was passieren konnte, und ist ein Beispiel Ihrer geradezu verhängnisvollen Führung der Außenpolitik, Herr von Papen! Man durfte dies nie tun, ehe nicht die Konferenz vollkommen gescheitert war. Wehrforderungen können von den politischen Bewegungen der Nation an die Regierung gerichtet werden, die Regierung soll sie aber in keiner Form an die Welt stellen.

 

Am wenigsten darf dies geschehen, wenn dabei die Forderungen selbst einer ernsthaften Prüfung vom Standpunkt der Zweckmäßigkeit, als im Hinblick auf die innere Erfüllbarkeit aus nicht standhalten können. Das allerunklügste aber war die Verbindung immerhin noch verständlicher Forderungen für das Landheer mit Forderungen zur See, die als demonstrative Akte höchstens geeignet sind, die gesamte Wehrlage Deutschlands heute auf das furchtbarste zu erschweren. Denn wenn man schon glaubte, gerade in diesem Augenblick eine gänzlich aussichtslose Forderung nach einer 300.000-Mann-Armee erheben zu müssen, dann ist die Einfügung der Forderung zum Bau von Großkampfschiffen usw. aber wirklich schon gar nicht mehr verständlich. Rein militärisch gesehen: welchen Zweck soll der Bau von Großkampfschiffen im Augenblick haben?

 

Die schlimmste Gefahr droht Deutschland im Osten. Es gibt in der Welt nicht wenige einsichtsvolle Männer, welche die Unmöglichkeit und Unhaltbarkeit der diesbezüglichen Lage Deutschlands selbst einsehen und anerkennen. Eine Verstärkung des deutschen Schutzes diesen latenten Ost-Gefahren gegenüber ist verhältnismäßig leicht zu begründen. Jedenfalls aber ist es für Deutschland selbst eine Notwendigkeit, bei der Zielsetzungfür seine nationale Rüstung sich die wichtigsten Aufgaben unentwegt vor Augen zu halten. Hätten die Regierungen seit dem Jahre 1919 die uns im Friedensvertrag von Versailles zugebilligten maritimen Streitkräfte hundertprozentig erneuert, dann würden wir auch mit ihnen unter Zugrundelegung unserer modernen Technik in der Ostsee wohl bestehen können. Zum Kampf aber außerhalb der Ostsee - sagen wir gegen Frankreich oder England - würden die von uns geforderten, uns heute möglichen Neubauten an Großkampfschiffen gar nicht in der Lage sein, selbst wenn sie bewilligt würden. Selbst wenn wir Genehmigung bekämen, Großkampfschiffe zu bauen, so würde das zunächst maritim ohne jede Bedeutung sein. Bei angestrengtestem Bauen könnte das erste Geschwader von vier Schiffen nicht vor vier Jahren kampfbereit sein. Ein hoffnungsloser Fall, wenn ich dabei an England oder auch nur an Frankreich denke. Dabei ist die Forderung nach den Großkampfschiffen geeignet, den außenpolitischen Blick zu verwirren und am Ende uns wieder in eine Situation hineinzustcuem, die wir schon einmal schaudernd erleben mußten!

 

Für die Verhältnisse in der Ostsee ist der Bau von wirklichen Großkampfschiffen solange nicht notwendig, als nicht Rußland oder unter Umständen Polen über andere maritime Kräfte verfügen wie zur Zeit. Aber selbst wenn Sie glaubten, Herr von Papen, schon jetzt eine maritime Forderung anhängen zu müssen, dann durfte man unter keinen Umständen mit dieser Forderung ohne weiteres vor die Welt treten, sondern dünn mußten Sie sich erst in London über die englische Zustimmung oder Ablehnung Klarheit verschaffen. Denn heute ist wichtig für die Zukunft Deutschlands ein vertrauensvolles Verhältnis zu England. Es würde aber meines Erachtens bei einem solchen unbedingt notwendigen Vertrauensverhältnis zu England heute genügen, mit Korrekturen des vom Versailler Vertrag genehmigten Bauprogramms unserer Flotte aufzuhelfen - immer beherrscht von dem einen Glauben, den uns notwendigen Schutz im Osten damit zu gewährleisten. Im übrigen scheint auch hier, wie schon früher so oft die von der modernen Technik auch auf dem Gebiete militärischer Werte unterdes vollzogene Umwälzung nicht berücksichtigt worden zu sein. Man erhebt die Forderung nach einer Waffe mehr aus einer heute nur noch psychologischen Reminiszenz als aus einer für unsere heutige Lage kampftechnisch richtigen Überlegung und vergißt dabei ganz die Rückwirkung auf die gleiche Psychologie eines unserer früheren Gegner.

 

Dabei stellen Sie, Herr von Papen, damit auch noch ein Programm auf, dessen finanzielle Durchführung augenblicklich ein Ding der Unmöglichkeit ist. Ein modernes Schlachtgeschwader aus wirklich kampffähigen Schiffen erfordert alles in allem mindestens 700 bis 800 Millionen Mark Kosten. Selbst wenn wir zum Bau solcher Schiffe die außenpolitische Voraussetzung besäßen, würde die finanzielle Belastung in keinem Verhältnis stehen zum heute nötigen militärischen Gewinn, so daß also faktisch eine Forderung erhoben wurde, die in kurzer Zeit aus finanziellen Gründen überhaupt nicht realisierbar ist, dafür aber, wie gesagt, außenpolitisch England sofort wieder bedenklich stimmt und glücklich zu Frankreich zurückführt. Verbindet man damit noch die schon mehr als ungeschickte Art der Lausanner Anbiederungsversuche an Frankreich, das Spielen mit Militärkonventionen und Bündnissen, dann darf man wirklich nicht allzusehr über die französische Geschicklichkeit staunen, wenigstens bis zu einem gewissen Grade und Umfange wieder die alte Entente gegen Deutschland zusammengeleimt zu haben.

 

Das alles aber wäre gar nicht möglich, Herr von Papen, wenn Sie überhaupt ein klares außenpolitisches Programm besäßen. Gerade hier schreit aber die Ziel- und Planlosigkeit zum Himmel. Sie reden von einer Gleichberechtigung Deutschlands und wollen doch nicht einsehen, daß diese Gleichberechtigung praktisch solange eine wertlose Formel bleibt, als sie sich nicht in der Wiederherstellung der deutschen Verteidigungsfähigkeit ausdrückt. Alles kann man nun erwarten, aber daß Frankreich von sich aus freiwillig einer solchen Veränderung der derzeitigen Kräfteverhältnisse das Wort reden würde, eben nicht. Und wenn Deutschland - woran bei keiner Regierung zu zweifeln ist - zehnmal vom ernstesten Friedenswillen erfüllt erscheint, dann wird es seine Gleichberechtigung unter den anderen Nationen eben doch nur erreichen können durch eine tatsächliche Wiederherstellung des europäischen Gleichgewichtes. Daran aber könnten nach Lage der Dinge England sowohl als Italien ein Interesse besitzen, aber sicherlich nicht das geringste Frankreich. Es ist daher klar, daß Deutschland, das mit allen Mitteln danach streben muß, eine weitere Beibehaltung oder gar Stärkung der französischen Hegemonie zu verhindern, dies nur im engsten Zusammenhang mit den vorgenannten anderen Nationen erreichen kann.

 

Es ist somit jeder politische und diplomatische Schritt, der ohne Anlehnung an Italien oder England erfolgt oder gar ohne die allemötigste Inkenntnissetzung dieser Staaten ein sehr bedenkliches, ja, unter Umständen verderbliches Beginnen. Geradezu unfaßbar aber ist es zu glauben, man würde die fehlende Fühlungnahme und Übereinstimmung mit England oder Italien durch die Herstellung besserer Beziehungen zu Frankreich ersetzen können. Am Ende wird jeder Versuch einer deutschen Anbiederung an Frankreich dort solange auf keine Gegenliebe stoßen, als die durch die große Rüstungsdifferenz gegebene Sicherheit Frankreichs einer inneren Verständigung mit Deutschland überlegen erscheint und daher vorgezogen werden kann. Ja, man wird solche Angebote, besonders wenn sie militärischer Natur zu sein scheinen, nicht nur kühl zur Kenntnis nehmen, sondern in der geeigneten Form den ehemaligen Verbündeten mitzuteilen wissen. Der Erfolg kann dann immer nur in einer erneuten Erweckung der ehemaligen Entente liegen.

 

Besonders England, Herr von Papen, das sich ohnehin kaum jemals zwischen zwei Stühle setzt, wird in einem solchen Fall sich um so mehr zu Frankreich hingezogen fühlen, als ja die von Ihrer Staatskunst als möglich angesehene Verbindung mit Frankreich England erst recht unerwünscht sein müßte. Denn folgendes ist wohl klar: Man will in England keinen deutsch-französischen Krieg, aber noch viel weniger eine deutsch-französische Militärkonvention als finden Schlußpunkt einer deutsch-französischen Verständigung! Von Italien ganz zu schweigen! Es ist das einzige Land, das seine im Gegensatz zu Frankreich stehenden Interessen nicht nur erkennt, sondern auch mutig und offen vertritt. Die Dienste, die dieses Land und seine Regierung dem deutschen Volke in den letzten Jahren indirekt erwiesen haben, -werden im heutigen Berlin weder erkannt noch gewürdigt. Mehr als je zuvor könnte dieses Land in aufrichtige Freundschaft mit Deutschland gebracht werden, wenn man in Berlin überhaupt eine klare Vorstellung besäße, was man will, oder zumindest von dem, was man einerseits erreichen kann und was man andererseits niemals erreichen wird.

 

Wenn man aber, wie Ihre Regierung, Herr von Papen, Außenpolitik nur betreibt, um der Opposition ‚das Dritte Reich vorwegzunehmen’, dann braucht man sich nicht zu wundern, daß Innenpolitik. Außen- und Wirtschaftspolitik so kunterbunt durcheinandergehen, wie wir das jetzt erleben. Daß Innen- und Wirtschaftspolitik in einem unlöslichen Zusammenhang mit der Außenpolilik stehen, ist Ihnen anscheinend vollkommen unbekannt. Alles wird beherrscht entweder von einer schreienden Unvernunft oder von einem genau so zu wertenden Schematismus.

 

Sie, Herr von Papen, haben vor allem von der verbindenden und werdenden Kraft innerlich nahverwandter Weltanschauungen genau sowenig Kenntnis wie von den politischen Möglichkeiten, die in der Auswirkung einer klug angewandten Zollpolitik liegen. Seit rund 100 Jahren hat Frankreich sein Vorgehen gegen Deutschland außerordentlich geschickt in einen Rahmen herrschender Weltauffassungen gestellt, die ihm in der übrigen Welt bei ähnlich eingestellten oder beeinflußten Völkern nur Sympathien eintragen konnten.

 

Herr von Papen, Sie aber führen Deutschland in ein Dickicht politischer Verwirrungen, da Sie nicht eingehen wollen, daß der Mangel einer klaren Ausprägung der inneren politischen Verhältnisse zwangsläufig erst recht zu einer geistigen Isolierung Deutschlands führen muß. Die rein demokratisch orientierten Staaten beobachten uns mit Mißtrauen, die nicht demokratischen entweder mit voller Ablehnung oder mit zumindest unbefriedigenden Gefühlen. Einer Welt, die entweder demokratisch, bolschewistisch oder faschistisch ist, bemühen Sie sich, Herr von Papen, ein Deutschland vorzustellen, dessen nähere Charakterisierung in einem Gemisch von christlich - konservativ - parlamentarisch - antidemokratisch - präsidialer Staatsgesinnung und Stautsfuhrung zu finden sein soll. Man möge sich nur nicht wundern, wenn dieser Wechselbalg aber auch wirklich nirgends eine innere Verwandtschaft und damit Anlehnung finden kann.

 

Ebensowenig wie Sie, Herr von Papen, und Ihre Helfer den Wert der inneren weltanschaulichen Verfassung als werbenden und vermittelnden außenpolitischen Faktor erkennen, so wenig erkennen Sie die Möglichkeiten, die in wirtschaftlichen Maßnahmen liegen können. Ziel- und planlos wird hier schematisch darauf losgearbeitet, als ob außenpolitische Folgen überhaupt nicht vorhanden wären.

 

Ihnen, Herr von Papen, gebührt der Ruhm, eine an sich unendlich aussichtsreiche Situation Deutschlands so schlecht genutzt und am Ende so verwirrt zu haben, daß selbst Italien zu uns in Gegensatz gerät und Frankreich innerlich wieder einmal zufrieden sein kann. Die deutsche Nation aber hat damit eine große historische Chance verloren.

 

Freilich bewegt dies das Konglomerat der augenblicklich in Deutschland Politik machenden Kräfte nur wenig. Berliner Judentum. Herrenklub, bürgerliche Parteien und was sich sonst noch im Zwielicht der offiziellen deutschen Politik herumtreibt, sind fürs erste zufrieden: Das deutsche Volk hat eine Schlacht verloren, aber der Nationalsozialismus erscheint wenigstens im Augenblick doch noch von der Macht zurückgehalten worden zu sein! Lieber alles verkommen lassen, als die Macht an die Bewegung abtreten, die keine Zweifel darüber laßt. daß mit ihrem Regierungsantritt die Epoche der Schwäche und Halbheiten, aber auch der Unlogik, einmal für immer vorbei sein wird!

 

Freilich am Ende täuschen sie sich doch: auch diese Front von Jakob Goldschmidt bis Hugenberg kann nicht den Sieg der nationalsozialistischen Bewegung verhindern. Und mit diesem Siege wird parallel der inneren Mobilisierung der nationalen Kräfte Zug um Zug die Wiederherstellung einer vernünftigen Außenpolitik erfolgen. Nichts von Konferenzen erhoffend, was nicht in der eigenen Kraft des Volkes seine Voraussetzungen hat, aber in eisig-kühler Überlegung jede Möglichkeit wahrnehmend, die dem inneren Wollen im Rühmen der tatsächlichen außenpolitischen Verhältnisse die Verwirklichung ermöglichen und sichern kann.

 

In Ihrer Rede, Herr von Papen, sprechen Sie folgenden Satz aus: ‚Was die Nation fordert, ist dies: Von einer Bewegung, die die nationale innere und äußere Rreiheit auf ihre Fahne geschrieben hat, verlangt sie, daß sie in jedem Augenblick und in jeder Lage so handelt, als ob sie das geistige, soziale und politische Gewissen der Nation wäre.’ Seit 13 Jahren während der ganzen Zeit, da Sie, Herr Reichskanzler, im Zentrum saßen und damit auch mit den marxistischen und bolschewistischen Parteien gegen die nationalsozialistische Bewegung, trotz ihrer heute zugegebenen nationalen Verdienste, Stellung nahmen, haben wir nach dieser Ihrer heutigen spät erforschten Erkenntnis gehandelt. Weil wir aber dieses uns als Leitmotiv für unseren politischen Kampf aussuchten, können wir auch heute nicht davon abgehen.

 

Ich halte daher, Herr Reichskanzler, aus meinem geistigen, sozialen undpolitischen Gewissen heraus Ihre Innen-, Wirtschafts- und Außenpolitik für falsch, ja für im höchsten Maße verderblich für Deutschland. Ich sehe als Folge eines Andauerns Ihrer Regierung über eine längere Zeit nicht nur ein erneutes Aufreißen unserer alten Klassengegensätze, sondern die drohende Gefahr einer dann nicht mehr zu verhindernden Bolschewisierung. Ich setze mich daher gegen Sie und Ihre Politik mit meiner Bewegung so zur Wehr, als ob wir ‚das geistige, soziale und politische Gewissen der Nation’ wären.

 

Daß Sie, Herr Reichskanzler, aber uns deshalb, weil wir insbesondere die unmögliche Art der Wahrnehmung der außenpolitischen Interessen der deutschen Nation durch Ihre Regierung ablehnen, einfach als ‚Feinde des deutschen Volkes’ hinstellen, ist so ungeheuerlich, daß uns nur die legale Befolgung der Gesetze verhindert, Ihnen die darauf nötige Antwort zu geben. Ich wende mich aber an die Millionen meiner Anhänger, die ich bitte, diese meine Darlegungen nüchtern prüfen und in Vergleich zu Ihrer Rede setzen zu wollen. Der Urteilsspruch dieser Millionen ist mir heute schon klar.

 

Am 6. November wird Ihnen, Herr von Papen, und den Sie begleitenden Parteien und Interessentengruppen das deutsche Volk wohl die Erkenntnis vermitteln, daß mangelnde staatsmännische Qualität nicht durch Berufung auf übernatürliche Heriwnß ausgeglichen werden kann.

 

Im übrigen, Herr von Papen, leben Sie ruhig in Ihrer Weit. Ich kämpfe in der meinen. Es ist mein Glück zu wissen, daß meine Welt die Millionengemeinschaß deutscher Arbeiter der Stirne und der Hand und deutscher Bauern ist, die, wenn sie auch zumeist schlichter Herkunft und vielfach größter Armut sind, doch die treuesten Söhne unseres Volkes sein wollen, denn sie kämpfen nicht nur mit den Lippen, sondern mit tausendfältigem Leid und zahllosen Opfern für ein neues und besseres Deutsches Reich.

 

Adolf Hitler

Coburg, den 16. Oktober 1932