Brief an Reichspräsident Paul von Hindenburg

 

 

Herr Reichspräsident!

 

Eine Reihe von Vorkommnissen zwingt mich als Führer der größten deutschen Bewegung und Kandidat für die Reichspräsidentenwahl am 13. März an Sie, Herr Reichspräsident, den Appell zu richten, gewissen Vorgängen Ihre Aufmerksamkeit zu schenken, die meiner Überzeugung nach zum einen gefährlich und zum ändern gesetzwidrig sind.

 

l.) Die Sozialdemokratische Partei, die Sie, Herr Reichspräsident, in ihrem Partei-Aufruf vom 27. Februar für ihre Wähler als Kandidaten aufstellt, schreibt in ihrem Wahlaufruf folgendes:

 

Hitler statt Hindenburg, das bedeutet Chaos in Deutschland und ganz Europa ... höchste Gefahr und blutige Auseinandersetzung im eigenen Volk und mit dem Ausland.‘

 

Herr Reichspräsident, ich weise den Versuch, mit diesen Methoden das Ausland gegen die freie politische Meinungsentscheidung der deutschen Nation unter Bezugnahme auf Ihren Namen mobilmachen zu wollen, entrüstet zurück. Ich habe in meinen Äußerungen Ausländern gegenüber nie unterlassen, darauf hinzuweisen, daß jede bisherige deutsche Regierung von wahrhafter und aufrichtiger Friedensliebe beseelt gewesen ist. Versuche, eine unbequeme deutsche Bewegung vor dem Auslande als Unruhestifterin hinzustellen, werde ich, wenn sie unter Hereinbeziehung Ihres Namens, Herr Reichspräsident, erfolgen und nicht zurückgewiesen werden, von jetzt ab persönlich in der geeigneten Weise abzuwehren wissen. Für die Dauer des Wahlkampfes sollen meine Erklärungen der Welt, wenn erforderlich, genauso zur Kenntnis kommen wie die Erklärungen der Vertreter des heutigen Systems.

 

2.) In demselben Aufruf, der Sie, Herr Reichspräsident, als Kandidat präsentierenden Sozialdemokratischen Partei findet sich folgende Stelle:

 

Hitler statt Hindenburg, das bedeutet Vernichtung aller staatsbürgerlichen Freiheiten, der Presse...‘ Auch durch diesen Satz, Herr Reichspräsident, wird versucht, insbesonders dem Ausland vorzutäuschen, Deutschland befände sich im Zustand irgendeiner demokratischen freien Verfassung. Ich stelle demgegenüber fest, daß seit Jahren von Pressefreiheit in Deutschland überhaupt nicht mehr die Rede sein kann und daß gerade in diesen Tagen der Wahl, der Wahlvorbereitungen und des Wahlkampfes die verfassungsmäßig garantierte Wahlfreiheit und Freiheit der Wahl Propaganda unter Ihrer Präsidentschaft auf das schonungsloseste unterdrückt werden. Sofort bei Beginn dieses Wahlkampfes wurde unter nichtigen Vorwänden ein Teil meiner Presse teils beschlagnahmt, teils verboten. Der Artikel der Verfassung, der die Wahlfreiheit garantiert, kann aber durch Sie, Herr Reichspräsident, mit dem Artikel 48 nicht außer Kraft gesetzt werden. Es handelt sich also hier um glatte und durch nichts zu beschönigende Verfassungsbrüche.

 

3.) Der preußische Innenminister Severing hat in einer längeren Ansprache den preußischen Ober- und Regierungspräsidenten, sowie den höheren Beamten des Innenministeriums und anderer preußischer Ressorts, laut Pressenachrichten, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei als staatsfeindlich hingestellt. Es ist also möglich, daß unter Ihrer Präsidentschaft, Herr Generalfeldmarschall, der Reichsinnenminister Groener die Auffassung vertritt, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei sei nicht staatsfeindlich, und der preußische Innenminister Severing dagegen, in dessen Hand die Mittel der praktischen Exekutivgewalt liegen, die Auffassung verbreitet, sie sei staatsfeindlich. Ich sehe in dem Vorgehen des preußischen Innenministers Severing einen unzulässigen Druck auf die preußische Verwaltung, ihren Einfluß bei der Wahl in einem für uns ungünstigen Sinne geltend zu machen.

 

4.) Herr Reichspräsident, Sie sollen den Wunsch ausgesprochen haben, daß dieser Wahlkampf in ritterlicher Weise geführt werde. Ich erlaube mir, Ihre Aufmerksamkeit auf zwei Vorgänge hinzulenken:

 

a.) In einer amtlichen Erklärung des Herrn Reichsinnenministers General Groener gegen den Reichstagsabgeordneten Dr. Goebbels, wurde diesem eine sinnentstellte Äußerung zugeschrieben, die nach dem amtlichen Protokoll der Reichstags-Sitzung vom 23.2.1932 nicht gefallen ist. Trotz erfolgter Aufklärung nahm der Herr Reichsinnenminister Groener seinen schweren Vorwurf nicht etwa zurück. Im Gegenteil: Durch Ihre Notverordnung wurden wir gezwungen, die objektiv unrichtige und uns schädigensollende, vom Innenministerium verbreitete Wiedergabe dieser Stelle in unserer eigenen Presse zum Abdruck zu bringen.

 

Herr Reichspräsident! Ist ein solches Verfahren ritterlich?

 

b.) Der Polizeipräsident von Berlin, Herr Grzesinski, hat unter Bezugnahme auf ein Versammlungsthema: ‚Der Kandidat Crispiens‘ den ‚Angriff‘, die in einer hohen Auflage erscheinende Tageszeitung meiner Partei in Berlin, für die Halbzeit des Wahlkampfes verboten, in der Motivierung dieses Verbots - die ebenso fadenscheinig wie an den Haaren herbeigezogen ist und die ihre treffende Beleuchtung dadurch erhält, daß der unter dieser Überschrift plakatierte Vortrag meines Parteigenossen Alfred Rosenberg als Plakat und Veranstaltung vorher polizeilich genehmigt war - wird vom Herrn Polizeipräsidenten Grzesinski auf die moralische Notwendigkeit eines Ehrenschutzes Ihrer Kandidatur, Herr Reichspräsident, hingewiesen.

 

Herr Reichspräsident! Ich empfinde diese Maßnahme des Polizeipräsidenten Grzesinski nicht nur als ungesetzlich und verfassungswidrig, sondern auch als im strikten Widerspruch stehend zu der von Ihnen gewünschten Ritterlichkeit des Wahlkampfes. Ist es ritterlich, meine Presse unter solchen Vorwänden von einem Manne verbieten zu lassen, der die Ehre Ihres Gegenkandidaten, Herr Generalfeldmarschall, auf das denkbar schwerste selbst angegriffen hat? Abgesehen davon, daß Herr Grzesinski in einer öffentlichen Drohrede sein Erstaunen darüber ausdrückte, daß ich noch nicht mit der Hundepeitsche aus Deutschland gejagt worden sei, verbreitet dieser Herr die Verleumdung, ich sei einst österreichischer Deserteur gewesen und hätte deshalb meine Staatsangehörigkeit verloren.

 

Ich lasse Ihnen, Herr Reichspräsident, anbei die Abschrift der von der zuständigen österreichischen Militärbehörde, dem Landesevidenzbüro der Landeshauptstadt Linz, auf mein Ansuchen ausgestellten amtlichen Bescheinigung zugehen, aus der Sie ersehen mögen, daß ich schon im Februar 1914 überhaupt keine österreichische Heeresverpflichtung mehr hatte und mithin aus freiem Willen und nur aus nationaler Begeisterung bei Kriegsausbruch in die deutsche Armee eingetreten bin, in der ich dann über fünfeinhalb Jahre zu dienen die Ehre hatte. Welches Vertrauen, Herr Reichspräsident, können wir zu Behörden haben, deren Repräsentanten sich solcher Kampfmittel bedienen? Und wie müssen wir es dann empfinden, wenn diese Männer, die in amtlichen Verbotsbegründungen gegen uns erklären, ‚es gäbe genügend Methoden, mit denen für ein politisches Ziel geworben werden könne, ohne daß man einen politischen Gegner beschimpfe‘, als ‚Hüter der Wahlmoral‘ die Freiheit unserer Propaganda unterdrücken.

 

Herr Generalfeldmarschall! Halten Sie es Ihres Namens für würdig, sich selbst als Präsidentschaftskandidat durch ein Gestrüpp von Notverordnungen und Gesetzesparagraphen in Ihrer persönlichen Ehre schützen zu lassen, Ihren Gegenkandidaten aber als Freiwild der parteipolitischen Lüge und Verleumdung preiszugeben? Was gedenken Sie, Herr Reichspräsident, zu tun, um in diesem Kampf, der auch um Ihre Person geht, die Prinzipien der Ritterlichkeit wiederherzustellen?

 

Berlin, Hotel Kaiserhof, Sonntag den 28. Februar 1932

Adolf Hitler