Brief an Reichskanzler Heinrich Brüning

 

12. Januar 1932

 

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

 

Am 6.l.32 teilte mir Reichsinnenminister, General Groener, mit, es bestünde die Absicht, die Präsidentschaft des Generalfeldmarschalls von Hindenburg auf parlamentarischem Wege zu verlängern, bzw. den Reichspräsidenten durch eine Zweidrittelmehrheit des Reichstags neuwählen zu lassen. Reichsinnenminister Groener bat mich um Stellungnahme der Partei zu diesem Vorhaben.

 

Ich beehre mich, Ihnen, sehr geehrter Herr Reichskanzler, mitzuteilen, daß die NSDAP bei aller Verehrung für die Person des Herrn Reichspräsidenten nicht in der Lage ist, diesen Vorschlag zu unterstützen. Ich lehne daher namens der nationalsozialistischen Bewegung unsere Zustimmung ab.

 

Die verfassungsrechtlichen, außen- und innenpolitischen sowie moralischen Gründe, die uns zu dieser Stellungnahme bewegen, werde ich Ihnen, sehr geehrter Herr Reichskanzler, in einer eingehenden Darlegung umgehend zustellen.

 

Mit der Versicherung vorzüglicher Hochachtung bin ich, sehr geehrter Herr Reichskanzler,

Ihr sehr ergebener

Adolf Hitler


 

Brief an Franz Seldte

 

12. Januar 1932

 

Sehr geehrter Herr Seldte!

 

In einem mir unter dem 11. Dezember geschriebenen und am 16. Dezember vorgelegten Brief kommen Sie auf mein Schreiben vom 1. Dezember zurück. Ich muß es mir versagen, auf die von Ihnen vorgebrachten, zum Teil mehr als verletzenden Punkte Ihres Briefes einzugehen. Die von Ihnen zugleich erhobenen Vorwürfe zum Fall Grützner weise ich schärfstens zurück und lehne es ab, mich mit Ihnen in eine Auseinandersetzung einzulassen, die die innere Struktur meiner Partei betrifft. Zu derartig kritischen Bemerkungen haben nicht Sie, Herr Seldte, ein Recht, sondern, wie ich bereits in meinem letzten Brief betont habe, ich und die nationalsozialistische Bewegung. Ihre Äußerungen über die Vorgänge in Thüringen ändern nichts an der Tatsache, daß es einzig und allein das heutige Stahlhelm-Mitglied Baum gewesen ist, das mit Hilfe der Sozialdemokratie den ersten, bewußt deutsch handelnden Minister in der Thüringer Regierung zum Sturz brachte und nationalsozialistische Beamte ihrer Stellung enthob und strafweise versetzte. Dieses famose nationale Gebaren Ihres Mannes erscheint durch die von Ihnen angeführten ‚dienstlichen Gründe‘ nicht weniger erbärmlich, als das Verhalten der sogen. nationalen Kräfte, die nach wie vor lieber mit der Sozialdemokratie paktieren, als den Interessen der Nation zu dienen.

 

Herr Seldte, solange im Stahlhelm diese Auffassung von Bundestreue herrscht, muß ich es entschieden ablehnen, als Ihr ‚Verbündeter‘ zu gelten. Wollen Sie, Herr Seldte, nicht nur mit Worten, sondern auch in Ihrem praktischen Verhalten das gleiche Ziel verfechten wie wir, bin ich nach wie vor von dem aufrichtigen Wunsch beseelt, mit Ihnen eine gemeinsame Kampfbasis zu suchen. Die mindeste Vorbedingung aber zu dieser Zusammenarbeit ist die Forderung, daß der Stahlhelm alle jene Mitglieder, die in zäher und zielklarer Arbeit gemeinsam mit den marxistischen Kräften die nationalsozialistische Bewegung fortgesetzt hinterhältig verdächtigt und angegriffen haben, aus seinen Reihen verweist und in besonderen Fällen öffentlich brandmarkt. Für eine reibungslose Zusammenarbeit verlange ich ferner, daß Sie, Herr Seldte, und alle Stahlhelmführer in den Ländern und Provinzen mit dem derzeitigen System völlig brechen und sich bereit finden zum Sturz und zum Kampf gegen dieses System.

 

Ich darf noch bemerken, daß es als selbstverständlich gilt, wollen Sie mit uns gemeinsam auf einer Ebene dieses eine Ziel verfechten, der nationalsozialistischen Bewegung in der Frage der Reichspräsidentenwahl bedingungslose Gefolgschaft zu leisten. Dazu gehört vor allem, daß der vertrauliche Brief, den das Bundesamt des Stahlhelm vor wenigen Tagen zur Frage der bevorstehenden Präsidentschaftswahl an seine Führer hinausgegeben hat, zurückgezogen und für voltkommen ungültig erklärt wird.

 

Herr Seldte, in Ihrem mir unter dem 23. November geschriebenen Brief beklagen Sie eine Reihe von Vorkommnissen, die Sie im Interesse reibungsloser Zusammenarbeit beseitigt wissen möchten. In Ihrem Brief unter dem 11. Dezember weisen Sie nochmals auf die unbedingte Notwendigkeit des echten Zusammenschlusses der nationalen Opposition hin. Kaum tritt die Präsidentschaftsfrage in den Kreis der innerpolitischen Erörterungen, empfehlen Sie Ihren Mitgliedern eine Kandidatur, die niemals und von Anfang an nicht die Unterstützung der nationalsozialistischen Bewegung finden kann, solange das Vertrauen des Herrn Reichspräsidenten dem Repräsentanten des heutigen Systems, gekennzeichnet durch Reichskanzler Brüning, gehört.

 

Herr Seldte, unsere Achtung und Ehrfurcht vor der untadeligen Gestalt des greisen Generalfeldmarschalls ist grenzenlos und größer als die plötzlich entdeckte Liebe der Vereinigungen im Lager der Weimarer Demokratie. Das haben wir bereits 1925 bewiesen. Heute geht es aber gegen das System und gegen alle, die das System stützen oder verteidigen, ohne Rücksicht auf Namen und Personen, im Interesse des Volkes und der Nation. Das muß Ihnen bekannt sein und Ihre voreiligen Entschlüsse in der Frage der Reichspräsidentenwahl sind nicht geeignet, eine reibungslose Zusammenarbeit auf gemeinsamer Ebene zu garantieren.

 

Ich darf am Ende des Briefes noch einmal bemerken: Es gibt nur ein Ziel. Das ist der unerbitterliche Kampf meiner Partei gegen das heutige System und seine Träger. Wir werden solange kämpfen, bis wir das Ziel erreicht haben, ohne dabei auf die Protektion oder Unterstützung anderer Verbände und Parteien angewiesen zu sein. Das besagt aber nicht, daß ich nicht jederzeit bereit bin, mit Ihnen, Herr Seldte, eine gemeinsame Kampfbasis zu suchen, um auf dem Boden wahrhaft nationaler Treue das gleiche Ziel zu verfechten, das von Anfang an unveränderlich unser Programm gewesen ist.

 

Mit deutschem Gruß und Heil!

Hitler