Brief an Alfred Rosenberg
2. April 1925
Sehr geehrter Herr Rosenberg!
Anläßlich Ihrer Übernahme des Schriftleiterpostens sehe ich mich veranlaßt, an Sie mit einer persönlichen Bitte heranzutreten.
Wie ich erfahre, schweben zur Zeit noch einige Prozesse, in denen Sie als Kläger auftreten. So wenig es mir in den Sinn kommt, mich in die persönlichen Verhältnisse anderer, das sind aber Beleidigungs-Prozesse, einmischen zu wollen, so muß ich doch in diesem Falle aus Liebe zu unserer Bewegung sowohl, als in Sorge für die beteiligten Personen, ganz gleich ob Kläger oder Beklagte, von meiner sonstigen Übung abweichen. So viel mir bekannt, liegen die Gründe Ihrer Klage sowohl gegen Herrn Hanfstaengl als auch gegen Herrn Esser in Äußerungen, die gefallen sein sollen und durch die Sie sich in Ihrer Ehre gekränkt fühlen.
Als Unbeteiligter Dritter möchte ich dazu folgendes bemerken: Die Zeit nach dem November 1923 war so verworren und konnte so leicht zu allen möglichen Gerüchten Gründe und Veranlassung geben, daß es in meinen Augen schwer ist, nach Recht und Wahrheit zu forschen bei Männern, von denen ich ausnahmslos überzeugt bin, daß sie damals alle gleich gelitten haben und von den gleichen Gefühlen für unsere Bewegung beseelt waren. Es ist damals, wenn auch oft scheinbar, aber auf alle Fälle unbeabsichtigt, dem einen oder anderen so viel Kränkung widerfahren, daß eine nachfolgende Verbitterung menschlich erklärlich erscheint. Dies gilt besonders auch für die damals zum Teil durch meine persönliche Veranlassung sich auf der Flucht Befindlichen, zum Teil in den Gefängnissen Verbannten. Gerade diese hatten unter einer häufig ungerechtfertigten Kritik zu leiden, gegen die sich zu wehren jede Möglichkeit fehlte. Die Wirkung war in der Folgezeit eine sich immer steigende Gereiztheit besonders deshalb, da ja viele sich in ihrer Ehre, nach ihrer Rückkehr oder der Wiedererlangung der Freiheit, so geschädigt sahen, daß das Wiedererscheinen in der Öffentlichkeit erschwert, ja in vielen Kreisen unmöglich wurde.
Von was aber das Herz voll ist, geht der Mund dann über. So finde ich es menschlich begreiflich, daß aus dieser Atmosphäre und Stimmung heraus nun manche Äußerung kam, die selber wieder als kränkend empfunden werden mußte.
Wenn ich mich nun heute bemühe, Prozesse abzuwehren, deren tieferer Ursprung in der ganzen Nervosität dieser damaligen Zeit liegt, so glaube ich damit nicht nur der Bewegung, sondern allen Beteiligten zu dienen. Ich kenne Sie, Herr Rosenberg, sehe in Ihnen nicht nur einen der wertvollsten Mitarbeiter unserer Bewegung, den Hauptschriftleiter meines ehemaligen ‚Völkischen Beobachters’, dem die seinerzeitige Entwicklung des Blattes in erster Linie mit zu danken war, soweit es sich um den Inhalt der Zeitung handelte, sondern bin auch von der persönlichen Lauterkeit ihrer Gesinnung restlos überzeugt. In der schwierigen Zeit, in der Sie dann gänzlich unvermittelt und unerwartet die Leitung der Bewegung übernehmen mußten, haben Sie, diese Überzeugung ist mir selbstverständlich, so gut als möglich versucht, der Sache zu nützen, wobei, wie jedem Menschen, auch Ihnen Fehler unterlaufen sein mögen. Ich habe aber nicht ein Urteil über Fehler abzugeben, sondern ausschließlich über die Absicht und den guten Willen. Den aber muß ich Ihnen in allem auf das höchste zubilligen.
So aber wie Sie, Herr Rosenberg, kenne ich auch Herrn Hanfstaengl und Herrn Esser. In Herrn Hanfstaengl habe ich im Frühjahr und Sommer 1923 einen jener seltenen Menschen kennengelernt, die bereit sind, Opfer zu bringen für eine Sache, obwohl sie selber mit Gütern nicht gesegnet wurden. Nur seiner beispiellosen Opferwilligkeit war es damals mit zu verdanken, wenn in einigen kritischen Fällen unser Blatt weiter erhalten werden konnte, wobei Sie wissen, daß sich der Mann selber Beschränkungen auferlegte, um der Sache helfen zu können. Und seit dieser Zeit lernte ich in ihm einen Mann kennen, dessen Fanatismus sich teilt in Liebe zur Bewegung und im Haß gegen die Feinde derselben. Mir persönlich war er zum Freund geworden. Herr Esser endlich kam in einer Zeit zur Bewegung, da diese an Ehren wenig und an Nutzen nichts abzuwerfen hatte. Sein erster Erfolg war der Verlust seiner Stellung. Auch er hat seit diesen Jahren (1920) nach seinen Kräften mitgewirkt, und ich muß in ihm für immer einen meiner ersten Mitkämpfer erblicken.
Nun bedrückt es mich zusehen zu müssen, wenn in den nächsten Tagen vor den Augen der gesamten Öffentlichkeit im Prozeß-Saal wieder Männer gegeneinander stehen, die sich meinetwegen noch soviel Unrecht getan haben können, die aber im Grunde ihres Herzens doch, jeder nach seiner Weise und seiner Art, für unser gemeinsames Ideal eingetreten sind, und wie ich hoffe, auch weiter eintreten werden. Ich will und ich kann hier nicht mich auf eine Rechtsfrage verlegen, sondern sehe nur den Jammer, der darin liegt, daß man unseren Feinden wieder das Schauspiel unseres alten Kampfes gibt. Denn unbesehen das mögliche Urteil, weiß ich doch jetzt schon eines, daß in solchen Prozessen Sieger und Besiegte in die Öffentlichkeit als Geschlagene zurückkehren. Für jeden streitenden Teil bedeutet ein solcher Kampf eine Minderung seiner Stellung der Öffentlichkeit gegenüber. Und wie viel mehr aber gilt dies für die Bewegung! Gerade jetzt, da ich versuche, zusammenzufassen, was irgendwie gleichen Sinnes und gleichen Herzens ist, wird ein solcher Prozeß wieder trennen und aufs Neue Haß erweckend wirken. Er wird vor allem unseren Feinden wieder auf Wochen vielleicht, Monate hinaus das Material zu Angriffen gegen unsere Bewegung liefern.
Ich weiß, mein lieber Herr Rosenberg, daß dies sicherlich nicht die Absicht ist, die Sie zu Ihrem Vorgehen treibt, sondern nur die Sorge, Ihre persönliche Ehre, die Sie bedroht glauben, zu retten. Aus diesem Grunde aber bitte ich Sie, der Bewegung und mir das Opfer zu bringen, auf eine weitere Durchführung Ihrer Prozesse Verzicht zu leisten. Zur Begründung Ihres Entschlusses mögen Sie drauf hinweisen, daß ich als Führer der Bewegung an der Redlichkeit Ihrer Gesinnung, der Aufrichtigkeit Ihres Wollens keinen Zweifel hege, daß ich in Ihnen einen meiner wertvollsten Mitarbeiter sehe, dessen Tätigkeit, in der Zukunft der Bewegung wieder ein großes Organ zu sichern, mithelfen soll. Ich glaube, daß meine Autorität heute noch so groß ist, daß eine solche Feststellung von mir auch Dritten gegenüber genügen kann, einen Entschluß zu decken, der in seiner Durchführung für die Bewegung von unendlichem Nutzen ist, genau so, wie das ja auch dem Ansehen der einzelnen Personen dienen wird. Es wäre für mich unendlich schmerzvoll, einen Triumph im Prozeß-Saal ansehen zu müssen, der letzten Endes doch nur in der gegenseitigen moralischen Heruntersetzung bestünde.
Aus all' diesen Gründen also bitte ich Sie nochmals, mein lieber Herr Rosenberg, die von Ihnen angestellten Klagen der Bewegung und mir zuliebe zurückzuziehen, so daß wenigstens nunmehr endlich die Zeit der bisherigen inneren Kämpfe abgeschlossen wird und an Stelle dessen sich wieder eine gemeinsame Front zum Kampfe gegen unsere wirklichen Feinde sich bildet. Ich bin überzeugt, daß, wenn auch die Herren im einzelnen heute meinem Wunsche fremd gegenüber stehen mögen, in ein oder zwei Jahren mir jeder danken wird, die Vermeidung dieses trüben Schauspiels versucht zu haben.
Mit vorzüglicher Hochachtung Adolf Hitler |