Berlin, den 3.9.1939

Der Oberste Befehlshaber der Wehrmacht

OKW/WFANr. 175/39

g. K. Chefs. L I

 

Geheime Kommandosache

Chefsache

Nur durch Offizier

 

8 Ausfertigungen

2. Ausfertigung

 

Weisung Nr. 2 für die Kriegführung

 

1.) Nach Erklärung des Kriegszustandes durch die englische Regierung hat die englische Admiralität am 3. 9. 1939, 11.17 Uhr die Anweisung zur Eröffnung der Feindseligkeiten gegeben. Frankreich hat die Erklärung abgegeben, dass es sich ab 3. 9. 1939, 17.00 Uhr im Kriegszustand mit Deutschland befinden wird.

 

2.) Das Ziel der deutschen Kriegführung bleibt zunächst die schnelle siegreiche Beendigung der Operationen gegen Polen. Eine Überführung nennenswerter Kräfte vom Osten nach dem Westen bleibt meiner Entscheidung vorbehalten.

 

3.) Die Grundsätze für die Kriegführung im Westen gemäß Weisung Nr. 1 bleiben aufrecht erhalten. Nach der nunmehr angekündigten Eröffnung der Feindseligkeiten durch England und der Erklärung des Kriegszustandes durch Frankreich ergeben sich nachstehende Folgerungen:

 

a) Gegenüber England:

 

Kriegsmarine

Angriffshandlungen sind freigegeben. Der Handelskrieg ist vorläufig auch von den U-Booten nach Prisenordnung zu führen. Die Verschärfung bis zur Erklärung von Gefahrenzonen ist vorzubereiten. Das Inkrafttreten von Verschärfungen behalte ich mir vor. Die Ostsee-Eingänge sind ohne Verletzung der neutralen Hoheitsgewässer mit Minen zu sperren. Die in der Nordsee für die eigene Verteidigung und zum Angriff gegen England vorgesehenen Sperrmaßnahmen sind durchzuführen.

 

Luftwaffe

Angriffshandlungen gegen englische Seestreitkräfte in Kriegshäfen und auf freier See (einschl. Kanal) sowie gegen einwandfrei erkannte Truppentransporte sind erst dann freizugeben, wenn entsprechende englische Angriffsmaßnahmen zur Luft gegen gleiche Ziele erfolgt sind und besonders günstige Erfolgsaussichten vorliegen. Das gleiche gilt für den Einsatz der Marinefliegerverbände. Angriffe gegen das englische Mutterland und Handelsschiffe behalte ich mir vor.

 

b) Gegenüber Frankreich:

 

Heer

Im Westen ist die Eröffnung der Feindseligkeiten dem Gegner zu überlassen. Über Verstärkung des Westheeres aus den noch verfügbaren Kräften entscheidet der Ob. d. H.

 

Kriegsmarine

Angriffshandlungen gegen Frankreich sind erst freizugeben, wenn dieses die Feindseligkeiten eröffnet. Ist dies der Fall, so gelten die gegen England gegebenen Anordnungen in gleicher Weise auch gegen Frankreich.

 

Luftwaffe

Gegen Frankreich sind Angriffshandlungen nur nach Eröffnung entsprechender französischer Angriffe gegen deutsches Gebiet freizugeben. Als Richtlinie gilt hierbei, die Eröffnung des Luftkrieges nicht durch die deutschen Maßnahmen hervorzurufen. Allgemein ist bei dem Einsatz der Luftwaffe im Westen von dem Gesichtspunkt auszugehen, daß ihre Kampfkraft nach der Niederringung Polens für die Entscheidung gegen die Westmächte erhalten bleibt.

 

4.) Der mit OKW Nr. 2100/39 g. WFA/LIIc am 25.8.39 gegebene X-Befehl wird mit Wirkung vom 3. 9. 39 auf die gesamte Wehrmacht ausgedehnt. Die Umstellung der gesamten Wirtschaft auf die Kriegswirtschaft ist angeordnet. Weitere Mobilmachungsmaßnahmen im zivilen Bereich werden auf Antrag der Obersten Reichsbehörden durch das Oberkommando der Wehrmacht ausgelöst werden.

 

Adolf Hitler

 

Verteiler:

OKH 1. Ausf.

OKM 2. Ausf.

R. d. L. u. Ob. d. L. 3. Ausf.

OKW

Chef WFA 4. Ausf.

L 5-8. Ausf.
 


 

Berlin, den 6. September 1939.

Geheime Kommandosache

Zusatz zur Weisung Nr. 2 für die Kriegführung

Betr.: Einsatz von Marinefliegerverbänden.

Füge ein auf Seite 2 Abs. Luftwaffe hinter ‚Marinefliegerverbände‘:

In der Deutschen Bucht und im Minenwarngebiet West sowie zur unmittelbaren Unterstützung von Seekampfhandlungen entfallen diese Einschränkungen.

OKW/L

 

Zu Weisung Nr. 2 Ziffer 4 (X-Befehl)

 

1.) Der Führer und Reichskanzler hat für die Masse der Wehrmacht die Mobilmachung ohne öffentliche Verkündung (X-Fall) befohlen. Von der SS-Verfügungstruppe werden die Teile mobil gemacht, die auf Befehl des Führers in das Heer eingegliedert werden. Erster X-Tag ist der 26. 8. 39. Mit dem gleichen Tage hat der Führer dem Oberbefehlshaber des Heeres die Befugnis zur Ausübung vollziehender Gewalt im Operationsgebiet des Heeres ‚Ost‘ und ‚West‘ übertragen (s. Anlage). Mit Überschreiten der Reichsgrenze Ost erweitert sich das Operationsgebiet dem Geländegewinn der Truppe entsprechend nach vorwärts. Für die Slowakei gelten Sonderbestimmungen (s. Anlage).

 

2.) Der X-Fall wird auf den zivilen Bereich in seiner Gesamtheit nicht ausgedehnt. Es wird gebeten, nur die zur Sicherstellung der Mobilmachung der Wehrmacht und zur Aufrechterhaltung der eigenen Arbeitsfähigkeit notwendigen Maßnahmen durchzuführen, soweit sie nicht bereits als Vorausmaßnahmen in Kraft gesetzt sind. (Anordnungen sind im Klartext zu erlassen)

 

3.) Alle Handlungen und Forderungen sind auf die Friedensgesetzgebung zu gründen. Der Verteidigungszustand oder der Kriegszustand gem. Reichsverteidigungsgesetz vom 4. 9. 1938 werden nicht erklärt.

 

4.) Einberufung von Ersatz- und Ergänzungspersonal.

Alle Bedarfsstellen müssen versuchen, zunächst mit dem ihnen verbleibenden Personal auszukommen. - ...

 

14.) Wirtschaft.

Alle Maßnahmen sind darauf abzustellen, daß unter weitgehendster Schonung der Gesamtwirtschaft die tatsächliche Lieferleistung (Ausbringung) wichtiger W-Betriebe der zwischen GBW [Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft und den Vierjahresplan Hermann Göring] und OKW festgelegten Betriebsgruppen und die Ernährungswirtschaft auf dem Stand erhalten wird, den sie bei Eintritt des X-Falles erreicht hat. - ...

 

20.) Diese Verfügung darf nur im Auszug weitergegeben werden.